Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
Vom Netzwerk:
anderen taten es ihm gleich.
    »Gewehre auf den Boden, nicht in die Luft. Mein Gott, wie sieht das denn aus?«, schimpfte der Fotograf genervt.
    »Ja, so passt es. Und jetzt nur noch alle lachen.«
    Es tat einen großen Blitz, das Foto war im Kasten, und für die Fuchsbichler konnte das Fest beginnen.
    Sie schlenderten vom Vereinshaus durch den Ort hinüber zum Festplatz. »Mir reichts, Leut, das war mein letzter Wettkampf, nochmals Schlumpenkönig werden, nein, das will ich net«, sagte Oswin.
    »Kneisl, bist doch weit der Älteste von allen Schützen, nimms net so schwer.« Fertl versuchte, ihn zu besänftigen. »Schau, viel besser war ich auch net.«
    »Ja, du, du warst ja noch nie gut, geh, komm Fertl, das Schießen liegt dir doch net. Hast das Gewehr doch eh so gut wie nie in der Hand. Jesuskinder schnitzen und schießen, das passt eh net zusammen.«
    Der Alte blieb kurz stehen und seufzte. »Fertl, weißt, ich glaub, alles geht so langsam dahin. Meine Kuh werd auch alt, gibt kaum mehr Milch, und die Hennen verlieren ihre Federn, legen nur noch ab und zu a Ei. Alle werdn’s alt, zusammen mit mir, mit dem alten Oswin, dem noch dazu so einsam ums Herz ist. Abends schaut hin und wieder nur noch der Karl vorbei, beim alten Oswin. Dann kann er sich wenigstens ein wenig unterhalten. Aber das war’s dann. Fertl, der alte Oswin ist einsam. Verdammt einsam. Er will so nimmer leben.«
    Schweigend gingen sie weiter.
    Vor ihnen schritt der Schützenkönig mit wichtiger Miene, auch wenn seine Hand schmerzte. Urban freute sich auf das Bier. Er schwitzte. So früh schon so heiß, dachte er und sah erst kurz auf seine silberne Taschenuhr, dann zu seinem Schwiegersohn. »Heißer Tag, ha? Gut warst heut, Vinzenz, zweiter Ritter, wenn’st weitermachst a so, werd’s schon mal was werden mit dem König, musst halt mehr üben, aber du willst ja nie mit auf die Jagd.«
    »Urban, ist doch so viel zu tun auf dem Hof und die Maria, weißt eh, die kannst nimmer plagen, die kann ja nimmer gehen, sieht auch nichts mehr. Eine Magd, die 74 Jahre alt ist, schafft’s Arbeiten kaum mehr. Magst net eine Neue einstellen?«
    »Mal sehen«, brummte Urban. »Vielleicht find sich heut was, ist halt schwer, a brave Magd zu finden. Die wollen alle nimmer hart arbeiten, war früher anders. Außerdem weißt, oben in Fuchsbichl, da ist es den jungen Leuten zu einsam, mit den paar Höfen.«
    »Wir bräuchten endlich eine Straße«, meinte Robert, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. »Wär doch net schlecht, wenn auch amal ein Auto Fuchsbichl erreichen tät. Dann kämen auch Fremde zu uns hoch.« Er zeigte auf eine große Baugrube, die man am rechten Straßenrand ausgehoben hatte. »Da, selbst der Bürgermeister baut jetzt für die Fremden. Hotel mit einem Schwimmbecken, haben’s g’sagt. Der macht’s richtig. Immer mehr Gäste werden zum Wandern und zum Skifahren kemma. Droben am Gletscher planens’s schon Lifte.«
    »So ein Unsinn«, herrschte Urban Robert an. »Die können mir alle g’stohlen bleiben, die Städterer mit ihren Autos, alles verschandeln, das können sie. Schau dich doch amal um, wias hier inzwischen ausschaut, überall Baustellen, der ganze Ort ist beim Teufel.«
    »Willst denn ewig so weiterleben? Oben in Fuchsbichl, wo’s nur ab und zu mal einen einsamen Wanderer hinverschlagt?«, fragte Robert.
    »Können mir alle g’stohlen bleiben! Alle!«, murrte Urban.
    »Du hast ja auch genug, reich, wiast bist«, wandte Oswin ein.
    »Könntest auch mehr haben, alter Kneisl, wenn’st deinen Grund verkaufen tätst«, entgegnete Urban. »Du weißt, mein Angebot steht immer noch.«
    Oswin schwieg, doch zum ersten Mal ließ er den Gedanken zu, Fuchsbichl eines Tages zu verlassen. Aber wo nur sollte er auf seiner Flucht vor der Einsamkeit hin? Weit fort, wie es Luis, der Tremplersohn, getan hatte? Das würden seine alten Glieder nicht mehr schaffen. Aber runter ins Tal ziehen, das könnte er, dort eine nette Bleibe finden – bei einer jungen Frau, die sein Geld nicht verschmähen würde, vielleicht, ja, an dieser Idee könnte er Gefallen finden. Aber seinen Hof dem Urban überlassen? Oswin sah den Kraxner von der Seite an. Ihm missfiel, was er sah. Aufgedunsen war der Urban. Zu viel Schnaps in den letzten Jahren. So wie er selbst auch. Nur war beim Urban alles ärger geworden, seine Brüllerei und sein Jähzorn. Die armen Mägde und Knechte, arme Agnes, ach überhaupt! Wenn Urban zu Besuch war und in der Stube saß, war öfters die

Weitere Kostenlose Bücher