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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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hatte.
    In der Wolfsschlucht tropfte kein Wasser mehr, und der Gaisbach war nur mehr ein dünner Faden. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet, die Wolken, die über den Berggipfeln lagen, verharrten dort, fast bewegungslos. Der Wind, der sie sonst durch die Lüfte gleiten ließ, war spurlos verschwunden.
    Der Himmel über Fuchsbichl hatte kein Leben mehr.
     
    Bereits in den Morgenstunden war es so ungewöhnlich heiß, wie es selbst der betagte Oswin und die alte Magd Maria noch nie erlebt hatten. Heute, am Tag des Schützenfestes, hatte sich der Herrgott wohl überlegt, den Weiler und das Tal vollends zum Lodern zu bringen. Während unten die Fuchsbichler Männer ihren Durst mit kühlem Bier löschten, das nicht nur die Hitze, sondern auch die Abwesenheit der Frauen vergessen ließ, strichen die Frauen durch die Wälder, schwitzten und riefen sich die Seele aus dem Leib.
    Irgendwann hatten sie sich wieder im Weiler eingefunden, ratlos und besorgt, nicht nur Wurzls wegen. Denn auch Tobi war verschwunden, als hätten ihn die Wälder verschluckt. Cilli holte Preiselbeersirup, Speck und Brot aus der Kammer. Nachdem die Frauen sich gestärkt hatten, begaben sie sich erneut auf die Suche.
    Auf Cillis Geheiß hatten sie sich aufgeteilt. Maria hatte die Gehöfte zu durchforsten, Josefa war in Richtung Wolfsschlucht geeilt, Cilli suchte im rechten Waldabschnitt oberhalb des Weilers, Elfriede im linken. Die Zwillinge, weil sie mit ihren zwölf Jahren jung und flink waren, machten sich auf den längeren Weg hinauf zu den Almen, wo sie die Hütebuben, die mit den Tieren die obersten Wälder durchstreiften, fragen sollten, ob ihnen Tobi oder Wurzl begegnet sei.
    Nun saßen die beiden Schwestern auf der Tennenbrücke einer der Almen, durchschwitzt und außer Atem. Hanni war mürrisch, denn sie hatte sich so auf das Schützenfest gefreut. »Ich weiß net, warum die alle so beunruhigt sind, was soll denn schon passiert sein!«, maulte sie. »Der Tobi werd schon wieder kommen, des is g’wiss.«
    »Mutter hat g’sagt, es liegt was in der Luft, du weißt doch, dass sie immer so Ahnungen hat. Es ist sicher was passiert, sie wird schon an Grund haben, dass sie uns alle losg’schickt hat.«
    »Ohren abhacken. Das ist schon verrückt, der arme Wurzl.«
    »Magda«, wisperte sie verschwörerisch, »ich glaub, des war der Kraxnerbauer.«
    »Wer sonst? Weißt eh, wie der sein kann.«
    »Aber warum macht er so was?«
    Hanni zuckte mit den Achseln. »Ist a böser Mann.«
    »Die haben kein gutes Leben, die Leut aufm Kraxnerhof.«
    Magda stand auf und hielt ihren Kopf unter das Brunnenwasser. Dann nahm sie einen tiefen Schluck. »Werd Zeit, dass es amal wieder regnet.«
    »Weißt noch, was der Tobi in seinem Aufsatz g’schrieben hat?«, fragte Hanni ihre Schwester.
    »Du meinst den mit den drei Wünschen?«
    »Ja, den, wo wir die alle aufschreiben sollten.«
    Magda lachte. »Da, wo du g’schrieben hast, du wünscht dir einen Prinzen, ein Schloss und einen Schwan, auf dem du übers Wasser schwimmen kannst?«
    Nun lachte auch Hanni. »Und, was hat der Tobi g’schrieben?«
    »Na, der hat g’schrieben, dass er mit Tieren sprechen will, die anderen Wünsche, die hab ich vergessen.«
    »Mit Tieren sprechen. Mhm! Dem Tobi, dem trau ich alles zu, auch dass der auch noch die Tiersprache lernt, so schlau, wia der ist. Ist eh seit Jahren der Beste in unserer Schule, hat doch der Direktor gesagt.«
    Magda blieb ernst. »Der Tobi, der hat’s net leicht beim Urban. Der mit seiner Brüllerei.«
    »Ich weiß, du kannst den Tobi gut leiden«, sagte Hanni. »Kimm, sag, ich seh’s dir doch an.«
    Auf Magdas Wangen breitete sich sanfte Röte aus. »Hanni«, antwortete sie, »mir hat träumt, dass ich dem Tobi sei Frau werd.«
    Hanni rutschte näher an ihre Schwester heran. »Was sagst? Heiraten? Den Tobi?« Hannis Mund blieb vor Erstaunen weit geöffnet.
    »Hast g’sehn, wia er amal ausschaut, wenn er erwachsen ist?«
    Magda nickte eifrig. »Groß werd er, mit starken Armen. Die braucht er, weil er a Viehdoktor werd. Er nimmt mi mit in die Stadt, hat er mir g’sagt im Traum.«
    »Und ich, was werd aus mir?«, fragte die Schwester. »Lasst mich allein hier im Ort?«
    Magda nahm Hanni in die Arme. »War doch nur a Traum«, lachte sie.
    »Komm, lass uns in den Ställen nachsehen.«
    Nachdem die Mädchen alle Almhütten abgesucht hatten, folgten sie dem Läuten der Kuhglocken, das sie zu den Hütebuben führte. Die lagen mit ihren Stöcken unter einer

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