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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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nicht», antwortete Oberst Florian Engel wahrheitsgemäß.
    «Fragt sie», sagte Napoleon.
    «Bist du schwanger?», fragte der Oberst.
    «Qu’est-ce que cela le regarde?», antwortete Regula Engel laut und deutlich; so steht es in ihren Lebenserinnerungen, die sie ein halbes Leben später in Zürich veröffentlichen sollte. General Bonaparte warf ihr einen scharfen Blick zu und schwieg. Wenige Wochen später wurde augenscheinlich, dass des Generals Verdacht berechtigt gewesen und sie tatsächlich guter Hoffnung war – mit Zwillingen.
    Regula Egli erblickte am 5. März 1761 im Bauerndorf Fluntern ob Zürich, wo heute die Universität, die Technische Hochschule und das Universitätsspital stehen, das Licht der Welt und wuchs in elenden Verhältnissen heran. Ihr Vater war ein ausgemusterter Söldner und Säufer gewesen, die Mutter davongelaufen und der ältere Bruder wegen einer rätselhaften Krankheit erblindet. Die glücklichsten Jahre ihrer Kindheit hatte sie im städtischen Waisenhaus erlebt, wo ihr Vater sie unterbrachte, nachdem seine Frau verschwunden war. Kaum siebzehn Jahre alt, hatte Regula auf der Straße einen Soldaten gesehen, der eine bunte Uniform mit glänzenden Knöpfen trug. Ein«schöner und großer Mann»sei Florian Engel gewesen, erinnerte sie sich später – da habe ihr«nach Luft und Weltfreude pochendes Herz sich in die blinkende Uniform vergafft».
    Im September 1778 heiratete sie ihn und zog mit ihm nach Straßburg, wo sein Regiment in Garnison lag. In den folgenden vierzehn Jahren begleitete sie ihn quer durch Frankreich von einer Kaserne zur nächsten und schenkte ihm jedes Jahr ein Kind. Manche starben früh, andere überlebten, und die Knaben wurden allesamt Soldaten in französischen Diensten.
    Aber dann kam die Revolution, und für die Schweizer Garden, die ihren Treueid auf den König geschworen hatten, brachen schwere Zeiten an. Manche wurden auf offener Straße vom aufgebrachten Volk gesteinigt, viele zogen ihre Uniformen aus und flohen heim in die Schweiz. Oberst Florian Engel aber marschierte mit seinem Regiment nach Paris – Gattin Regula und die sieben noch lebenden Kinder im Schlepptau -, um seine Dienste der Republik anzutragen.
    Kaum in der Hauptstadt angelangt, wurde er, der in seiner roten Uniform auf der Straße eine auffällige Erscheinung war, als Königstreuer verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.«Man denke sich meinen Schrecken!», schrieb Regula Engel.«Ich hatte mit meinen sieben lebenden Knaben ein achtes Kind unter dem Herzen und war groß schwanger. Ich ließ geschwind eine Bittschrift verfertigen und eilte damit, an jeder Hand einen meiner Knaben führend, zu Robespierre. Ich überreichte ihm die Bittschrift und fiel ihm zu Füßen. Als ich so vor ihm niederfiel, fasste ich trostlos meine beyden Knaben wieder an den Händen, und die schreckliche Guillotine im Gedächtnis, konnte ich nichts hervorbringen als: ‹Citoyen! Miséricorde!›»
    Worauf Robespierre laut Regula Engel«Lève-toi!»erwiderte und mit Bleistift einen Entlassungsschein schrieb. Sie verbeugte sich so tief wie möglich, sagte«Mille graces, Citoyen!»und eilte mit den Kindern in die Rue Sainte-Madeleine, um ihren Gatten in die Freiheit und ins Leben zurückzuholen.
    So steht es in ihren Memoiren, die sie als alte Frau schrieb, um sich ein Zubrot zur kargen Witwenrente zu verdienen. Dabei hat sie wohl – genauso wie Madame Tussaud und viele andere – ihre Geschichte zwecks besserer Verkäuflichkeit koloriert und zweifellos auch manche Episode frei erfunden; da es aber unhöflich und langweilig wäre, ihren Lebensbericht immerfort in Zweifel zu ziehen, soll hier in Umkehrung wissenschaftlicher Gepflogenheit alles als Tatsache gelten, was sich nicht zweifelsfrei widerlegen lässt.
    Eben aus dem Gefängnis entlassen, wurde Florian Engel Grenadierhauptmann beim 4. Regiment leichter Infanterie und nahm an der Eroberung Hollands teil – und Regula mit ihrer Kinderschar war dabei. Wie es scheint, war die Ehe glücklich, obgleich Regula«oft ein böser Ribel war und ihm nicht unterthänig seyn wollte, er auch oft nach meiner Pfeife tanzen musste, dazu war aber der brave Mann immer geduldig, und das machte ihn mir dann desto lieber. So sollte es eben in allen Ehen seyn, wenn die Frau etwas begehrt oder thut, so sollte der Mann nie widersprechen, so wär Segen in der Haushaltung und Frieden im Lande».
    Über die Erziehung und Aufzucht ihrer zahlreichen Kinder machte sich Regula Engel nicht allzu

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