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Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer

Titel: Himmelsstürmer - Capus, A: Himmelsstürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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Isers, der höchsten Spitze des Bregenzer Waldes, in einer Geröllmulde an der bayerischen Grenze auf zweitausend Metern Höhe hart zu landen. Verletzt wurde niemand, aber in Sicherheit waren die Luftschiffer erst nach einem mehrstündigen Nachtmarsch hinunter ins nächste Dorf.
    Nach dieser Bruchlandung hatte für Spelterini alle Himmelsstürmerei ein Ende. Er kehrte zurück nach Zipf zu Emma, den Zubers und den dreihundert Hühnern. Kurz darauf erkrankte er am grauen Star und drohte zu erblinden. Die Augenoperation verlief erfolgreich, aber seine Lebenskräfte ließen nach. Seine Spaziergänge wurden kürzer, der einst so charmante Lebemann immer wortkarger. Im Frühling 1929 unternahm er eine letzte Reise an die Côte d’Azur zu den mondänen Schauplätzen seiner Erfolge. Nach wenigen Tagen ging ihm das Geld aus, und er musste von Le Lavandou aus einen Brief in die Schweiz an Oberst Santschi schreiben, damit ihm dieser einen Batzen für die Heimreise schickte.

    Am 16. Juni 1931, zwei Wochen nach seinem neunundsiebzigsten Geburtstag, starb Spelterini kurz vor Mitternacht in seinem Haus. Drei Tage später wurde er auf dem evangelischen Friedhof in Vöcklabruck beigesetzt. Um dem vergessenen Mann auf seiner letzten Fahrt ein einigermaßen würdiges Geleit zu geben, musste die Gemeinde rasch ein paar Kirchgänger mobilisieren. In der Kirche spielte auf Spelterinis Wunsch die Seebauern-Musi aus Frankenburg die Serenade von Enrico Toselli, am offenen Grab dann das Largo von Georg Friedrich Händel.
    Emma Spelterini und die Zubers blieben noch sieben Jahre in Zipf. Sie wanderten viel durch die umliegenden Wälder, und mehrmals pro Woche verkauften sie ihre Eier auf dem Markt von Neukirchen oder Vöcklabruck. Am 29. Januar 1938, kurz vor dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland, überließ Emma das Haus weit unter Preis einem Herrn Pramhas und kehrte zurück in die Schweiz; Robert Zuber fuhr mit Alexandrine und Alexius heim in seine Geburtsstadt Wien. Anderthalb Jahre später, am 24. August 1939, eine Woche vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, begann Emma ein neues Leben. Sie heiratete in Yverdon-les-Bains einen einheimischen Hausarzt namens Henri Duruz und ließ sich am Neuenburger See nieder, wo sie hochbetagt am 27. Oktober 1963 starb.

10 Isabelle Eberhardt
    Am 21. Oktober 1904 ertrank in der Sahara zwischen Dattelpalmen und Sanddünen Isabelle Eberhardt aus Genf, die viele Jahre als Mann und Muslim verkleidet die arabische Welt erkundet hatte. Nur drei Stunden zuvor hatte sie gegen den Willen ihrer Ärzte das sicher gelegene Krankenhaus von Aïn Sefra verlassen und war in ein Lehmhaus gezogen, das zwischen Kneipen und Bordellen in einem ausgetrockneten Flussbett stand. Da brach über den gelben Dünen der Oasenstadt ein Unwetter herein, wie es seit Menschengedenken keines mehr gegeben hatte, und durch das eben noch trockene Flussbett ergoss sich eine gewaltige sandgelbe Flut. Die französischen Fremdenlegionäre aus der höher gelegenen Kaserne, die auf Befehl ihres Generals nach Isabelle suchten, fanden sie zwei Tage später in den Resten ihres Lehmhauses am Fuß der Treppe, begraben unter einer dicken Schicht Schlamm und Geröll.
    Schon als Kind hatte Isabelle die Kleider ihrer älteren Brüder getragen und sich das Haar jungenhaft kurz geschnitten. Geboren war sie am 17. Februar 1877 in Genf und aufgewachsen in einem einsamen Landhaus außerhalb der Stadt, ungefähr an der Stelle, an der heute die Landebahn des Flughafens Genf-Cointrin endet. Ihre Mutter Nathalia war eine russische Adlige aus Moskau, die mit dem Hauslehrer ihrer Kinder durchgebrannt war und sich nach einer jahrelangen Odyssee durch Europa in Genf niedergelassen hatte, wo sie wenig später Isabelle zur Welt brachte.
    Isabelle und ihre Geschwister besuchten nicht die örtlichen Schulen, sondern wurden vom Hauslehrer und Geliebten ihrer Mutter unterrichtet. Dieser hieß Alexander Trofimovski und war ein ehemaliger russisch-orthodoxer Priester aus Armenien, der fließend Arabisch, Türkisch, Französisch, Deutsch und Russisch sprach. Er war persönlich mit Bakunin befreundet und ein Anhänger von Tolstois bäuerlichreligiösem Anarchismus, und wie Tolstoi war er ein großer, starker Mann mit markantem Schädel und Ehrfurcht gebietendem, schlohweißem Bart; die Kinder nannten ihn«Vava»,«der Alte». Morgens unterrichtete er sie in Geschichte, Sprachen und Literatur, der Nachmittag galt der Ertüchtigung von Körper und Seele mittels naturnaher

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