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Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition)

Titel: Himmelsstürmer: Mein Leben im freien Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Baumgartner
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vor dem Einschlag ist es mir doch noch gelungen, den Reserveschirmgriff zu finden. Mike saß damals im Hubschrauber, sah, dass zunächst kein Schirm aufging, kam mir später kreidebleich entgegen und meinte: »Hey, ich habe erst heute richtig gemerkt, wie sehr du mir am Herzen liegst.« Da ist einer, der macht sich Sorgen um dich, dem bist du ans Herz gewachsen, der will dir in drei Stunden wieder in die Augen schauen und mit Freude sagen: »Hey, wir haben es geschafft!« Und so sitze ich in meiner kleinen Kapselwelt und schaue durch Mikes Augen in die Augen meiner Mutter – dann schiebt er die Tür zu, und seine Aufgabe ist erledigt.
    Als Nächstes wird von außen Luft in die Kapsel hineingepresst, damit ein leichter Überdruck entsteht, der die Tür gegen die Dichtung drückt. Ich sitze praktisch in der versiegelten Kapsel. Mike sagt noch über Funk: » Okay Buddy, I see you on the ground! «, dann übergibt er an Joe.
    »Felix, do you read me?« , höre ich Joe.
    »Read you loud and clear, Sir!« , bestätige ich den funktionierenden Funkkontakt.
    »We’re closer to go.«
    »No problem, I’m ready, Joe.«
    »You were born ready, Felix!«
    Joe trifft einfach immer die richtige Mischung aus Business und Spaß. Das hat er damals in den 50-ern schon so gemacht bei seiner Mission: den Entertainer gegeben, um auch eine Spur den Stress rauszunehmen. Ein kleiner Scherz ab und zu, das hilft schon. Dann gehen wir zusammen die nächste Checkliste durch. Joe sagt: »Gib mir mal die Menge Sauerstoff, die du gerade bekommst.« Einfach um zu checken, dass sich meine Zahlen mit denen decken, die an die Mission Control übermittelt werden. Im Fernsehen sieht es derweil so aus, als hätten wir nichts zu tun. Aber ich habe eine Menge zu tun. Eine der wichtigsten Aufgaben ist das wechselseitige Checken aller Werte.
    Für den Start übergibt Joe an unseren Launch Director Ed: »Hey Ed, your turn.« Aus einem kleinen Seitenfenster, einer Art Bullauge, sehe ich draußen den Ballon, 200 Meter lang, wie er sich allmählich aufrichtet und nach oben davonschwebt. Im Inneren der Kapsel habe ich acht verschiedene Kameraeinstellungen, die ich per Schalter wechseln kann: nach oben, nach unten, zur Seite. Ich schalte die obere Kamera an und sehe, was der Ballon macht. Ich kann gerade nichts tun, außer zu hoffen, dass die Jungs alles im Griff haben. Plötzlich spüre ich einen Ruck, das heißt: Jetzt setzt sich der Truck in Bewegung. Ich schalte um auf die Truck-Kamera, will das ja alles auch miterleben, weil ich weiß: Das kommt nie wieder.
    Wenn es heute funktioniert, werde ich das nie wieder machen. Dann gehe ich wieder heim, und deshalb will ich all diese Eindrücke mitnehmen und genießen. Damit es mir nicht so geht wie dieser Olympiasiegerin, von der Andy mir erzählt hatte. Sie hat zwar olympisches Gold gewonnen, aber geweint bei der Siegerehrung – nicht aus Freude, sondern weil sie so enttäuscht war, dass es sich nicht so anfühlte, wie sie geglaubt und gehofft hatte. Sie hat geglaubt, wenn sie da oben steht, das wird die schönste Erfahrung ihres Lebens – und dann fühlte es sich einfach nicht so toll an. Sie hat ein Stück Gold in der Hand, alle jubeln, aber sie vermisst die Befriedigung. Hätte sie aber den Weg bis dahin ein bisschen mehr genossen, wäre der Sieg umso schöner gewesen. Und dieses Genießen all der vielen Etappenschritte ist nach der Begegnung mit Andy ein Ziel für mich, genauso wie der Sprung selbst: das letzte Mal den Anzug anziehen, das letzte Mal Sauerstoff atmen, das letzte Mal am Haken hängen, das letzte Mal mit Joe über Funk sprechen.
    Bis auf Ed und den Truckfahrer redet jetzt keiner mehr, kein Gequatsche, keine Späße. Radio silence heißt das. Ein Missverständnis könnte alles verderben. Jemand könnte »Release!« verstehen, das Signal, nach dem die Kapsel vom Kran gelöst wird, und dabei hat nur einer »Easy« gesagt. Jetzt geht es um Millimeterarbeit. Ed muss die Geschwindigkeit des Trucks dem sich langsam aufrichtenden Ballon anpassen. Majestätisch kommt der Plastikriese hoch, aber Ed muss den Truckfahrer noch zurückhalten, bis der perfekte Moment gekommen ist. Und dann hebe ich ab, kaum spürbar klinkt der Kran die Kapsel aus, die jetzt nur noch am Ballon hängt. Schon höre ich Joe: »Hey Felix, you are going to space!« Wir sind auf dem Weg. Es sieht gut aus, es geht in die richtige Richtung.
    Meine wichtigsten Aufgaben sind jetzt: Funkkontakt halten zur Mission Control und die

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