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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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plötzlich die Öffnung zu einem lichterfüllten Schacht, der kilometertief in den Abgrund einer gewaltigen Maschinenhöhle führte. Ein heftiges lokales Gravitationsfeld ergriff ihn, und er stürzte wie ein Expresslift ins Herz von Janus, wo er innerhalb weniger Sekunden zerlegt und recycelt wurde. Wo Sheng gestanden hatte, schloss sich die Öffnung. Die Symbole wechselten zu den früheren Konfigurationen zurück.
    Sheng war spurlos verschwunden.
    Erst nach sechs Monaten und einem weiteren Todesfall konnte aufgeklärt werden, was mit ihm geschehen war. Während das Uhrwerk unbeirrt die Arbeit fortsetzte, durchkämmten Svetlanas Ermittler die Umgebung des Schauplatzes. Parry war mit der Leitung der Untersuchungen beauftragt. Sheng war sein Freund gewesen, und er wollte nicht, dass sein Tod ein ungelöstes Rätsel blieb.
    Er zog die Möglichkeit eines Mordes in Betracht, auch wenn nie eine Leiche gefunden wurde. Obwohl Sheng recht beliebt gewesen war, hatte er sich während der Krise an Bord der Rockhopper auf die Seite des alten Regimes geschlagen. Seit der Landung hatte es Gerüchte gegeben, dass die Anhänger der alten Linie – vor allem jene, die direkt gegen Svetlana aktiv geworden waren – auf Schritt und Tritt von wachsamen Augen verfolgt wurden.
    Aber Sheng hatte nie erwähnt, dass jemand Drohungen gegen ihn ausgesprochen hatte, und die Schlundkammer war ein eher unpassender Ort für einen Hinterhalt. Vom Personal, das gleichzeitig dort stationiert war, schien niemand ein plausibles Mordmotiv zu haben. Und keine andere Person konnte in den Schlund gelangt sein und sich unbemerkt wieder entfernt haben.
    Also war es kein Mord. Ein Selbstmord war ebenfalls recht unwahrscheinlich, wenn man bedachte, dass Sheng offenbar versucht hatte, jemanden zu Hilfe zu rufen, bevor sein Funkgerät abrupt verstummt war. Gabriela Ramos, die zum Zeitpunkt seines Todes eine Affäre mit ihm hatte, war völlig außer sich. Sie hatte an ihm nichts von depressiven Stimmungen bemerkt, und sie beharrte darauf, dass es eine andere Erklärung geben musste.
    Parry glaubte ihr, aber er wusste nicht, wo er noch nachsehen sollte. Die Untersuchung des Uhrwerks erbrachte keinen Hinweis auf ein Missgeschick. Es war bereits zu grausigen Unfällen gekommen, wenn sich jemand zu nahe an die Maschinen herangewagt hatte, aber in diesen Fällen hatte es immer handfeste blutige Beweise gegeben.
    Schließlich war Parry auf eine Idee gekommen, die eher auf Verzweiflung als auf systematischen Schlussfolgerungen beruhte. Er schickte einen Techniker los, der Shengs bekannte Route abgehen sollte. Vielleicht war der Vermisste gegen etwas gestoßen oder hatte sich irgendwo festhalten müssen. Vielleicht kam man auf diese Weise dem Rätsel auf die Spur.
    Beim ersten Mal geschah nichts. Dann korrigierte Parry die Route, weil sich herausstellte, dass sie beim ersten Mal einen Fehler gemacht hatten. Seit Shengs Tod war eine kleine Veränderung am Aufbau des Uhrwerkmechanismus vorgenommen worden.
    Während des zweiten Versuchs, Shengs Weg zu rekonstruieren, reagierten die Maschinen. Sie verwechselten den Menschen keineswegs mit Sheng, aber sie bemerkten, dass er dem gleichen Weg folgte. Shengs Verhalten hatte einen tiefen Eindruck im Gedächtnis der Maschinen hinterlassen. Nun waren sie darauf konditioniert, sehr genau auf Musterwiederholungen zu achten, obwohl seit dem ersten Todesfall Monate vergangen waren. Für Janus spielte es keine Rolle, ob es Monate oder Jahrhunderte waren.
    Die Maschinen gaben die übliche großzügige Vorwarnung. Der Ermittler beobachtete die Veränderungen in den spicanischen Symbolen, die genauso von den Flextops und Kameras der anderen Techniker registriert wurden.
    »Nicht bewegen«, sagte Parry, voller Ehrfurcht, dass sie endlich eine spürbare Reaktion der Maschinen provoziert hatten, auch wenn noch nicht klar war, was diese Reaktion eigentlich ausgelöst hatte. »Scheint die Sache zu sein, weswegen Mike angerufen hat …«
    Der Ermittler machte einen weiteren Schritt, um seine Füße auf ebenen Boden zu bringen.
    Das genügte – die Schwelle war überschritten. Janus schnappte sich den Mann mit der gleichen erstaunlichen Schnelligkeit wie bei Mike Sheng. Diesmal jedoch gab es Zeugen. Sie sahen, wie sich der Boden öffnete und den Ermittler verschluckte. Man unternahm erfolglose Versuche, die wieder versiegelte Oberfläche zu durchbrechen, obwohl bislang kein Werkzeug auch nur den leichtesten Kratzer auf einer spicanischen Maschine

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