Himmelssturz
verfügbaren Strohhalm. Auf jeden Fall wissen wir jetzt, dass sie bemerkt haben, was geschehen ist. Wenigstens hat es sie zu einer Art Reaktion provoziert.«
»Ich hatte gehofft, dass wir diese Sache hinter uns bringen, ohne das Wort ›provozieren‹ zu benutzen«, sagte Parry.
Danach sagte keiner mehr etwas. Sie betrachteten nur das von der Kamera übertragene Bild, hypnotisiert vom Sturm der Aliensprache, inständig hoffend, dass die Zeichen Reue und nicht Zorn bedeuteten.
Parry lehnte sich gegen den Türrahmen. »Wie fühlst du dich, Baby?«
»Nicht ganz so schlimm, wie ich aussehe. Hast du schon mit Emily gesprochen?« Svetlana war zu müde und zu aufgelöst gewesen, um ihre Tochter vor der Exkursion zum Alienschiff anzurufen. Sie hatte sich Sorgen gemacht, Emily könnte ihr etwas anmerken.
»Es geht ihr gut«, sagte Parry.
»Ich hoffe, niemand hat ihr gesagt, was hier oben los ist.«
»Ich glaube, irgendetwas ist durchgesickert, aber nicht genug, um ihr Sorgen zu bereiten. Das sind alles nur Erwachsenengeschichten, die weit über ihren Horizont hinausgehen. Es ist einfach großartig, Kind zu sein. Wir haben gerade den Erstkontakt verpatzt, und sie denkt nur an die Puppe, die Wang ihr versprochen hat.«
»Wir alle waren einmal so. Manchmal frage ich mich, was mit uns geschehen ist.«
»Du solltest zusehen, dass du etwas mehr Schlaf bekommst.« Auch Parrys Gesicht war von Stress und Erschöpfung gezeichnet. »Hier passiert nichts, womit wir nicht ohne dich klarkommen würden.«
»Du verstehst es, meinen angeknacksten Stolz wieder aufzubauen.« Jetzt war sie hellwach und zupfte an einer losen Wimper, die ihr zwischen die Augenlider geraten war. »Tut mir leid. Ich weiß, dass du mir nur helfen willst. Ist etwas passiert, während ich geschlafen habe?«
»Nichts, was der Rede wert wäre. Keine Anzeichen für Aktivitäten im Schiff. Soll ich dir Frühstück machen, oder willst du noch eine Runde dösen?«
»Was ist also passiert, das nicht der Rede wert ist?« Nach so vielen gemeinsamen Jahren war Svetlana bestens mit Parrys Ablenkungsstrategien vertraut.
»Es wir dir nicht gefallen«, sagte Parry vorsichtig.
»So etwas wird mir nie gefallen. Also, was ist es?«
»Wir haben von Bella gehört. Irgendwie sind die Neuigkeiten zu ihr durchgedrungen.«
Svetlana knurrte verärgert. »Eigentlich sollte sie nichts von alldem erfahren.«
»In Crabtree ist längst die ganze Geschichte bekannt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Bella Wind davon bekommt.«
»Was will sie überhaupt? Will sie uns unter die Nase reiben, welche Scheiße wir gebaut haben?«
»Diesen Eindruck hatte ich eher nicht.«
»Typisch. Jedes Mal springst du in die Bresche und nimmst sie in Schutz«, sagte Svetlana mit einer Gehässigkeit, die Parry nicht verdient hatte.
»Ich vermute mal, das war ein ›Nein‹, was die Frühstücksfrage betrifft.«
Svetlana wälzte sich aus dem Bett. Sie trug immer noch die Kleidung, mit der sie sich hingelegt hatte und die nun zerknittert und muffig war wie etwas, das seit einer Woche im Wäschekorb lag.
»Mach bitte keine Hektik. Ich gebe mir alle Mühe. Trotzdem neigst du dazu, sie immer wieder zu verteidigen.«
»Vielleicht, weil sie nicht immer falsch liegt.« Er sagte es viel zu gelassen, als dass es als Stichelei gemeint sein konnte. Svetlana warf ihm einen vernichtenden Blick zu, während sie versuchte, ihr Haar einigermaßen in Form zu bringen. »Bella hat von Craig gehört«, fuhr Parry fort, ohne sich von ihrem Blick beirren zu lassen. »Sie möchte mit dir über deinen nächsten Zug reden.«
»Als hätte ich ausgerechnet jetzt ihren Rat nötig!«
»Sie sagt, es sei sehr wichtig, dass du mit ihr redest.«
Svetlana zog ein frisches T-Shirt aus ihrer Tasche, eins von ihren alten, keins von den neuen Sachen aus den Schmiedekesseln. Es war rot und mit einer maskierten Meerjungfrau und dem Schriftzug Taucherschlampe in matt gewordenem Silber verziert. Die animierten Fische, die einst die Meerjungfrau umschwommen hatten, bewegten sich schon lange nicht mehr.
»Natürlich sagt sie so etwas.«
»Außerdem erwähnte sie, dass es Jim Chisholm betrifft.«
Svetlana hielt inne, während sie das T-Shirt erst halb angezogen hatte. »Was du nicht sagst!«
Zwanzig
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Parry überquerte die freie Fläche zwischen dem Beiboot und der Kuppel und wartete höflich, dass Bella ihn hineinließ. Am Hartanzug konnte sie unmöglich erkennen, ob Parry oder Svetlana in der Luftschleuse stand,
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