Himmelssturz
doch es war immer noch nicht mehr zu sehen als die Spiegelfläche der Helmscheibe.
Die Gestalt befestigte die Kamera wieder auf dem Geckoflex und entfernte sich aus dem Blickfeld. Das Fenster in Svetlanas Helmdisplay schaltete auf eine andere Kamera um, die unter dem Himmel montiert war und durch das Loch nach oben schaute. Die Gestalt war über die Kante gestiegen und kletterte nun an der glatten Wand hinunter, wo der Himmel durchbohrt worden war. Sie hielt sich nur mit den Finger- und Stiefelspitzen fest. Die Bewegungen waren sicher, aber ohne erkennbare Eile. Bald hatte sie die innere Seite des Himmels erreicht und hing für eine Minute kopfüber da, genauso reglos wie kurz nach dem Verlassen des Schiffes. Dann ließ sie sich fallen.
Mit der üblichen widerwilligen Trägheit aller fallender Objekt auf Janus gewann sie Geschwindigkeit. Nachdem sie auf zwanzig oder dreißig Meter pro Sekunde beschleunigt worden war, blieb das Falltempo konstant. Langsam drehte sich der Anzug um einhundertachtzig Grad, sodass er den Rest der vertikalen zwanzig Kilometer bis Underhole mit den Füßen voran zurücklegte. Dann verlangsamte die Gestalt auf irgendeine Weise ihre Geschwindigkeit, bis sie sanft auf dem Eis landete.
Sie schritt zur Hauptkuppel von Underhole und klopfte an die Außentür der Luftschleuse. Niemand hörte das Klopfen, aber zu diesem Zeitpunkt gab es kein Helmdisplay und keinen Flextop, der die Gestalt im grauen Anzug nicht verfolgte.
Sie wartete, dann hob sie die Hand und klopfte noch einmal an.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Denise Nadis mit hysterischem Unterton. »Sie will hereinkommen!«
»Dann lasst sie hereinkommen«, sagte Svetlana über die Sprechverbindung nach Crabtree. »Lasst sie eintreten und sagt ihr, dass sie auf mich warten soll. Ich bin schon unterwegs.«
Nadis empfing Svetlana, Parry und Axford in der Luftschleuse, als sie ihre Helme abnahmen. Während des Fluges von Crabtree nach Underhole hatten sie die Verbindung zur Crusader verloren, sodass Svetlana keine Ahnung hatte, was seit dem letzten Gespräch geschehen war.
»Wir haben es die ganze Zeit kaum gewagt, uns zu räuspern«, sagte Nadis, die den Eindruck erweckte, als würde sie all ihre Kraft benötigen, um sich zusammenzureißen. »Seit wir die Gestalt hereingelassen haben, hat sie nichts anderes getan, als am Tisch zu sitzen.«
»Sie hat keinen Versuch unternommen, mit euch zu kommunizieren?«
Nick Thale stand hinter Nadis und stocherte mit einer Gabel in den Resten einer Mahlzeit herum. Nach einer Woche in Crabtree war er im Zuge der Rotation gerade nach Underhole zurückgekehrt. »Nicht von sich aus. Aber wir haben uns auch keine besondere Mühe gegeben. Wir dachten, dass wir lieber warten, bis du da bist.«
»Ich glaube, wenn sie uns Schaden zufügen wollte, hätten wir es inzwischen bemerkt«, sagte Parry.
»Dieses Wesen ist mir unheimlich«, sagte Nadis flüsternd. »Mehr muss ich darüber nicht wissen.«
Die Gestalt im grauen Anzug hatte sich an das Kopfende des Konferenztisches gesetzt und die Arme auf das Wangholz gelegt, sodass sich die Fingerspitzen fast berührten. Sie trug immer noch den Helm. Der Anzug gab ein schwaches, rhythmisches Pfeifen von sich, obwohl es keine sichtbaren Lüftungsöffnungen gab.
»Darin befindet sich eindeutig etwas Lebendiges«, sagte Axford und schob die Reste der Folienmahlzeiten zur Seite, um auf dem Tisch Platz für seinen Arztkoffer zu schaffen.
»Aber es gibt keine sichtbaren Diagnoseanzeigen am Anzug«, sagte Thale.
Svetlana hatte erwartet, dass der Anzug aus der Nähe etwas mehr von seinem Geheimnis preisgab, aber er war genauso nahtlos und undurchschaubar wie auf den Kamerabildern. Zögernd berührte sie den Unterarm der sitzenden Gestalt. Das blassgraue Material hatte etwas von der neoprenartigen Glätte feuchter Delfinhaut. Als sie mit dem Finger dagegendrückte, leistete es ein wenig Widerstand und gab dann unter dem Druck nach. Sie kratzte mit einem Fingernagel daran, doch es blieb keine Spur zurück.
Sie setzte sich gegenüber der Gestalt an den Tisch. Parry stand hinter ihr und hatte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter gelegt. Axford hatte seinen Arztkoffer geöffnet, aber bislang noch keins seiner Instrumente herausgeholt.
»Es ist Jim, nicht wahr?«, sagte sie und starrte auf ihr Spiegelbild in der schwarz glänzenden Helmscheibe. »Ich vermute mal, dass du mich hören kannst, also … willkommen zurück, Jim. Es ist gut, dass du wieder bei uns
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