Himmelssturz
als würde man versuchen, einen fallenden Motorblock aufzuhalten.
Das Aquarium glitt ihr aus den Händen. Sie versuchte noch einmal, es aufzufangen, aber es befand sich unwiderruflich auf dem Weg zum Boden und gewann mit jeder Sekunde ein größeres Bewegungsmoment. Die starren Raumanzüge verhinderten, dass sie schnell genug hinterherspringen konnten. Also mussten sie tatenlos zusehen, wie das Aquarium mit der Wucht eines außer Kontrolle geratenen Supertankers den Boden rammte. Das Glas hielt – schließlich war es den Anforderungen des Weltraums gewachsen –, aber der Deckel sprang ab und ließ das noch übrige Wasser in einer quälend langsamen Flutwelle samt der Fische herausschwappen.
»Ach du Scheiße«, sagte Svetlana.
Das Wasser floss in alle Richtungen davon. Die Oberflächenspannung zog es zu amöbengleichen Formen zusammen, die sich aus eigenem Willen zu bewegen schienen. Die verblüfften Fische zappelten mit verständnislos geweiteten Glupschaugen in den Pfützen, schlugen mit den Schwänzen um sich und rissen die Mäuler im verzweifelten Überlebenskampf auf.
Parry und Svetlana schauten entsetzt auf die Bescherung. Ein scheinbar ewiger Moment verging, bevor sie sich gleichzeitig in Bewegung setzten, steif in die Knie gingen und versuchten, mit den Händen Wasser und Fische zurück ins Becken zu schöpfen. Als sie die meisten Tiere eingesammelt hatten, war der größte Teil des Wassers in Bellas altem Teppich versickert. Was sich noch im Aquarium befand, sah schaumig und trübe aus. Die Fische hingen schief und betäubt in der Flüssigkeit. Ihr empfindlicher Gleichgewichtssinn war völlig durcheinander geraten.
Wortlos bugsierten Parry und Svetlana das Becken zurück auf den Tisch und schlossen es wieder an die Wasserversorgung an.
»Das wird ihnen nicht gefallen«, sagte Parry, als das Aquarium zur Hälfte nachgefüllt war. »Ich glaube, man darf immer nur ein bisschen Wasser austauschen, damit das Ökosystem keinen zu großen Schock erleidet.«
»Es tut mir leid«, sagte Svetlana zitternd.
Parry sah sie an. »Sprichst mit mir oder den Fischen?«
»Bring das Aquarium zu Bella. Vielleicht … kriegt sie es wieder in Ordnung.«
»Was soll ich ihr sagen?«, fragte er.
»Nichts. Bring ihr einfach das Aquarium.«
In diesem Moment bemerkten sie gleichzeitig das dringende Summen, das aus ihren Helmen drang. Parry ging in die Knie, um seinen vom Boden aufzuheben, während Svetlana ihren von der Decke holte. Was sie hörten, war das Alarmsignal des Helmdisplays, also zog Parry ihn sich über den Kopf, ohne den Halsverschluss einrasten zu lassen. Das Display erhellte sich.
»Ich glaube, du solltest deinen Helm aufsetzen«, sagte er zu Svetlana.
Zweiundzwanzig
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Die Gestalt im Raumanzug stand am oberen Ende der Rampe, die vom kerzenleuchterförmigen Schiff nach unten führte. Bei maximaler Vergrößerung zeigte die Kamera Details des Anzugs, aber hinter der spiegelnden Scheibe des Helms war kein Gesicht zu erkennen.
Der Anzug hatte keine Ähnlichkeit mit denen, die an Bord der Rockhopper benutzt worden waren, aber er hatte etwas eindeutig Menschliches, auch wenn Svetlana es nicht recht benennen konnte. Die blassgraue Oberfläche war an manchen Stellen elastisch und wirkte an anderen solide wie eine Ritterrüstung. Es gab keine Nähte oder Gelenkverbindungen. Der Helm, die Handschuhe und der Brusttornister waren Teile des Ganzen, als wäre der Anzug in einem Stück fabriziert worden. Es gab keine scharfe Trennung zwischen dem Visier und dem Rest des Helms, sondern nur einen sanften Übergang.
Die Gestalt setzte sich in Bewegung. Zuerst wirkte der Gang steif und unkoordiniert, als wäre es eine Puppe, die von einer unsichtbaren Hand gelenkt wurde. Ein paarmal schien sie zu zögern oder beinahe zu stolpern, aber mit jedem Schritt wurden die Bewegungen der Gestalt sicherer und flüssiger. Auf der Hälfte der Rampe marschierte sie bereits mit zielstrebigen Schritten. Die Finger hielten keinen Moment still, ständig schlossen und öffneten sie sich.
Die Gestalt erreichte das untere Ende der Rampe und trat auf den Eisernen Himmel. Kurz hielt sie inne und drehte den Oberkörper, um zum Schiff zurückzublicken, aus dem sie gekommen war. Dann setzte sie den Marsch in Richtung des Loches fort und blieb an der Kante stehen. Sie ging zur Kamera, die ihren Weg verfolgt hatte, griff danach und löste das Gerät vom Geckoflex. Sie streckte die Kamera auf Armeslänge aus und zeigte auf ihren Kopf,
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