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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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bist.«
    Die Gestalt sprach mit einer verstärkten Stimme, die an Jim Chisholm erinnerte. »Hallo, Bella.«
    Svetlanas Kehle schnürte sich zusammen. »Es ist nicht …«, begann sie, doch Parrys drückte ihre Schulter, um sie zu warnen, der Gestalt nicht zu widersprechen. »Hallo«, sagte sie.
    Die Gestalt griff mit beiden Händen nach dem Helm und nahm ihn ab. Er löste sich am Kragen entlang einer unsichtbaren feinen Naht, wie ein Stück Lehm, das in zwei Stücke gerissen wurde. Die Kante war sauber und gerade, als wäre sie mit einem Schwerthieb zerschnitten worden. Die Gestalt legte den Helm auf den Tisch.
    Svetlana starrte auf das, was einmal Jim Chisholm gewesen war. Es war sein Gesicht, aber sie musste sich sehr konzentrieren, um sich von dieser Tatsache zu überzeugen. Die Züge waren etwas anders als die, an die sie sich erinnerte, selbst in der Zeit kurz vor dem Ende. Sie waren magerer, und die Haut war so straff über den Schädel gespannt, dass sie die Strukturen der darunter liegenden Knochen erkennen konnte. Kein Haar, nur eine dünner Überzug aus Stoppeln. Auch kein Gesichtsausdruck, außer einer Art benommener Verständnislosigkeit.
    »Es ist gut, dass du wieder da bist«, wiederholte sie.
    Er sah sie mit extrem weit aufgerissenen Augen an. »Ich war eine Weile fort … irgendwo … für lange Zeit.«
    »Aber jetzt bist du zurückgekommen«, sagte sie und berührte seinen Handschuh. »Bei uns bist du wieder in Sicherheit.«
    »Ich war an einem sehr kalten Ort.«
    Svetlana nickte aufmunternd. Also hatte er Erinnerungen, nicht nur an Gesichter (es war verständlich, dass er sie nach so vielen Jahren mit Bella verwechselt hatte), sondern auch an das, was kurz vor dem Ende unter Axfords Obhut mit ihm geschehen war.
    »Du warst ein Frostengel«, sagte sie behutsam, »aber jetzt bist du wieder da. Du bist wieder dort, wo dein Zuhause ist.«
    »Ich bin froh«, sagte Chisholm.
    Parry beugte sich vor und legte sein Kinn auf Svetlanas Schulter. »Hallo, Jim. Erinnerst du dich an mich?«
    »Ja«, sagte er. »Ich erinnere mich an dich, Parry.« Dann blinzelte er, als müsste er sein Sichtfeld klären. »Aber du bist älter. Was ist mit dir geschehen?«
    »Das Gleiche, was mit uns allen geschehen ist«, sagte Parry. »Außer mit dir, Jim. Du hast das große Los gezogen. Du hast geschlafen.«
    »Mit Engeln geschlafen«, sagte Chisholm.
    »Hallo, Jim«, sagte Axford. »Erinnerst du dich an mich? Ich war dein Arzt. Und dein Freund. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, uns unterhalten, Musik gehört. Du hast mir beigebracht, Mingus zu hören … Dinge in seiner Musik zu entdecken, die mir ansonsten niemals aufgefallen wären. Dafür bin ich dir immer noch dankbar.«
    »Ryan«, sagte Chisholm und riss wieder die Augen auf. »Auch daran erinnere ich mich … Mingus. Ein Ozean aus Mingus. Bird Calls. Ozeanisch. Aber das alles war …« Er wandte den Blick ab, als hätte er etwas Beschämendes gesehen. »All das ist schon so lange her. Wie kannst du dich jetzt noch daran erinnern?«
    Axford hatte einen Augenspiegel aus seinem Arztkoffer genommen. »Jim, hast du etwas dagegen, wenn ich mir deine Augen ansehe?«
    »Nein … bitte«, sagte er mit beinahe kindlicher Bereitwilligkeit.
    Axford trat näher an Chisholm heran und zog vorsichtig mit den Fingern einer Hand die Haut um Chisholms linkes Auge auseinander. Mit der anderen Hand leuchtete er hinein. Zuerst blinzelte das Auge, dann blieb es ruhig. Axford sah sich auch das andere Auge an, dann schaltete er den Augenspiegel aus und drehte sich zu Svetlana um.
    »Ich kann nur eine vorläufige Diagnose stellen«, sagte er, »aber bevor wir Jim verloren haben, erhöhte das Glioblastom den intrakranialen Druck. Das führte zu einer Reihe von externen Symptomen, darunter auch die Kopfschmerzen und die Übelkeit, unter denen Jim litt. Und ein Papillenödem, eine Aufwölbung der Netzhaut. Aber davon ist nun nichts mehr zu erkennen. Die retinalen Blutgefäße pulsieren normal, die Stauung des blinden Flecks ist verschwunden. Vielleicht ein paar alte Netzhautblutungen, aber nichts aus neuerer Zeit – nichts, was er selbst bemerken würde.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte sie.
    »Ich muss erst richtige Tests in Crabtree durchführen – Blutspiegel, Tomografien –, aber es sieht sehr danach aus, als hätten sie das Blastom reduziert oder vielleicht sogar entfernt.« Er legte eine Hand auf Chisholms Stirn. »Aber er hat verdammt hohe Temperatur. Ich möchte ihn so

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