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Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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schimmernden Gruppen an und entfernten sich mit hoher Geschwindigkeit vom Eisernen Himmel. In weniger als einer Stunde würden sie das Tor erreichen, das in die benachbarte Kammer führte, um sich dort den Ungebändigten zu stellen.
    Bella dachte an Jim Chisholm – beziehungsweise an das, was er geworden war – und stellte sich vor, wie er unterwegs war, weil er sich aus Ehre seinen Alien-Freunden verpflichtet fühlte. Es war tapfer, und es beeindruckte sie. Aber gleichzeitig fragte sie sich, wie weit er sich von den Menschen entfernt hatte, dass er ein solches Mitgefühl – oder sogar Liebe – für die Perückenköpfe empfand. Bella war dankbar für die Geschenke, die sie ihrer Spezies gemacht hatten, und fühlte sich bis zu einem gewissen Grad durch das Wissen beruhigt, dass sie ein bekannter und vertrauenswürdiger Faktor waren, doch ihre Empfindungen waren meilenweit von Mitgefühl entfernt. Sie kam sich zu klein vor, zu zerbrechlich, zu endlich, um sich vorstellen zu können, die Perückenköpfe jemals zu lieben.
    Es erfüllte sie mit Ehrfurcht, wenn sie daran dachte, dass Jim Chisholm einen Teil dieser Distanz überbrückt hatte. Dadurch hatte er sich gleichzeitig weiter von ihr entfernt, in ein Territorium des Herzens, für das sie keine Landkarten und keinen Kompass hatte, ganz zu schweigen vom Wunsch, es zu erkunden. Sie wünschte ihnen alles Gute, aber sie konnte nicht sagen, wie traurig sie sich fühlte, wenn Chisholm nicht zurückkehrte. Sie hatte sich bereits von ihm verabschiedet, aber schon vor sehr langer Zeit.
    Statt Traurigkeit empfand sie etwas sehr Seltsames, ein Gefühl, das sie so lange entbehrt hatte, dass es exotisch wie ein unbekanntes Gewürz schmeckte. Aber es war ihr nicht völlig unvertraut. Es war etwas, das sie vor sehr langer Zeit gut gekannt hatte.
    Es war Seelenfrieden, und es hatte nichts mit Jim oder den Aliens zu tun.
    Nach all den Jahren und Jahrzehnten konnte sie endlich an Garrison denken, ohne dass es sich problematisch anfühlte. Das Messer in ihrem Bauch war verschwunden. Sie hatten sich über die Erde-Mars-Verbindung gestritten, bevor er zu seiner letzten Mission aufgebrochen war, aber nun wusste sie, dass er ihr verziehen hatte. Selbst als er abstürzte, als sein Schiff um ihn herum im Feuer des Wiedereintritts verglühte, musste er die Zeit gefunden haben, an sie zu denken, wie es ihr gehen würde, wenn sie von seinem Tod hörte. Er hatte ihre Haarlocke in der Hand gehalten, als Zeichen, dass alles in Ordnung war, dass der Streit vergessen war, dass er sie immer noch liebte. Er konnte ihr keine gesprochene Nachricht schicken, aber er hatte ihr etwas genauso Deutliches übermittelt, in der Hoffnung, dass er eines Tages gefunden wurde. Es hatte achtzehntausend Jahre lang im marsianischen Boden gelegen, während der Regen kam und ging, während sich Seen und Wälder auf den Ebenen ausbreiteten und wieder zurückzogen, als der Himmel blau wurde und sich mit Wolken bezog und schließlich wieder zum einförmigen marsianischen Ockerrot zurückkehrte, während sich der Zyklus wiederholte, während Imperien entstanden und vergingen und die Menschheit zu den Sternen aufbrach und zu etwas Seltsamem und Wunderbarem wurde, von dem Chromis ein Teil war. Und dann hatte Chromis die Botschaft, diese eine erlösende Tatsache, über eine unvorstellbar große zeitliche und räumliche Entfernung überbracht, über eine Kluft, gegen die achtzehntausend Jahre nur ein kurzer Moment waren.
    Sie hatte Bella erreicht. Die Botschaft war übermittelt, der Bogen vollendet worden. Die Ironie daran war, dass trotz allen Zukunftswissens, das Chromis in sich trug, dieser menschliche Kontakt für Bella das Wichtigste von allem war. Es kam ihr vor, als wäre sie in diesem Moment stehen geblieben, als hätte sie sich seitdem nicht weiterbewegen können. All die Beziehungen, die nie funktioniert hatten, all die Männer, die sie nie an sich herangelassen hatte, weil sie immer wieder das Messer in sich gespürt hatte.
    Die Haarlocke sagte ihr, dass alles gut war. Sie musste Garrison nicht vergessen, aber sie konnte zumindest weitergehen. Sie wusste, als sie sich getrennt hatten – als er ihr durch das Universum entrissen worden war –, waren sie immer noch Freunde gewesen.
    Die Ruhe, die sie empfand, war wie die Entspannung des seismischen Drucks nach einem Erdbeben. Es war wunderbar, und sie hätte nichts lieber getan, als sich die Zeit zu nehmen, es zu genießen, zu sehen, wie sich ihr neue

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