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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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ursprünglichen Struktur zusammenzufügen. 
    Daniels Gehirn verschwand vom Bildschirm, der Doktor setzte sich in einen der Sessel und rührte schweigend in seiner Teetasse.
    »Haben Sie einen Chip gefunden, Doktor Fischer?«, fragte Daniel vorsichtig.
    »Nein.« Der Doktor nippte an seinem heißen Tee und stellte dann die Tasse auf den Unterteller. »Und das hatte ich auch nicht erwartet.«
    »Nicht? Sie waren doch so sicher. Aber jetzt müssen Sie doch zugeben, dass ich nicht Max sein kann?«
    Der Doktor nickte.
    »Ich habe es die ganze Zeit gewusst.«

 
    51  Daniel schaute ihn verblüfft an. Doktor Fischer war wirklich für Überraschungen gut.
    »Dann verstehe ich nicht, warum Sie mich noch hierbehalten.«
    »Weil ich noch nicht fertig mit dir bin, mein Freund. Du bist der Patient, der mich am allermeisten interessiert. Mein Lieblingspatient, könnte man sagen.«
    Er prustete zufrieden über den Rand der Teetasse.
    »Aber ich bin doch nur durch eine Verwechslung hier«, wandte Daniel ein.
    Der Doktor schüttelte nachdrücklich den Kopf.
    »Nein, nein. Das ist keine Verwechslung. Du hast mich«, sagte er und stellte seine Teetasse ab, »du hast mich interessiert, seit ich weiß, dass es dich gibt.«
    »Und seit wann wissen Sie das?«
    »Seit Max hier aufgenommen wurde. Ich sah in seinen persönlichen Angaben, dass er einen Bruder mit dem gleichen Geburtsdatum hat, also einen Zwilling. Wie du weißt, sind Zwillinge der Traum aller Wissenschaftler, die sich mit dem Menschen befassen. Natürlich nur, wenn es eineiige Zwillinge sind, und das habe ich schnell herausbekommen.«
    »Wie denn?«, fragte Daniel. Ihm wurde zunehmend unbehaglich.
    »Ich habe ein weit verzweigtes internationales Kontaktnetz. Ich finde das meiste über unsere Bewohner und ihre Angehörigen heraus. Das ist Teil meiner Arbeit. Ich habe herausgefunden, dass du nicht vorbestraft bist und eine ordentliche Karriere gemacht hast, was mein Interesse noch mehr gesteigert hat. Eigentlich müsstest du die gleichen Erbanlagen haben wie Max. Warum ist er Psychopath und du nicht? Oder …« Karl Fischer beugte sich vor,
zog die Augenbrauen in gespielter Strenge zusammen und zeigte auf Daniel. »… kannst du es nur besser verbergen?«
    Daniel keuchte aufgebracht.
    »Sie wollen also behaupten …«
    »Nein, nein, nein. Es ist noch viel zu früh, um etwas zu behaupten. Aber es ist nicht auszuschließen, dass du eine andere Art von Psychopath bist. Einer, der nicht übereilt und impulsiv handelt. Der Geduld hat und auf den richtigen Moment wartet und der ruhig und kaltblütig genug ist, um die Taten zu vertuschen. Der Gewinn und Risiko berechnen kann. Und der deshalb nie wegen eines Verbrechens festgenommen wird und den wir deshalb auch nie hier in Himmelstal zu sehen bekommen. Das ist die interessanteste Sorte von Psychopathen, und es gibt kaum wissenschaftliche Untersuchungen über sie.«
    Daniel schnaubte.
    »Ich habe schon so viel Blödsinn gehört, seit ich hier bin, mich überrascht also nichts mehr. Woher wissen Sie denn, dass es diese Sorte gibt, wenn sie nie festgenommen werden? Haben Sie schon mal einen getroffen?«
    Doktor Fischer lehnte sich zurück, schien nachzudenken und sagte schließlich.
    »In meinem ganzen Leben habe ich vielleicht zwei, drei Psychopathen dieser Sorte getroffen. Man kann sie nur sehr schwer erkennen. Und der Grund, dass ich sie erkennen kann, ist ganz einfach …«, er machte eine gleichsam entschuldigende Handbewegung, »… der, dass ich selbst einer von ihnen bin.«
    »Sie haben einen eigenartigen Humor, Herr Doktor.«
    Der Doktor schüttelte den Kopf.
    »Ich meine es vollkommen ernst. Schon als Kind zeigte ich typische Symptome eines Psychopathen: ich habe Geld aus dem Portemonnaie meiner Mutter gestohlen, habe meine Spielkameraden geschlagen, wenn sie mir nicht ge
horcht haben, und hatte große Freude daran, Frösche, Katzen und andere Tiere zu quälen, wie aus dem Lehrbuch. Das war für mich ganz normal. Ich dachte, alle sind wie ich.«
    »Bei Kindern ist das vielleicht nichts Ungewöhnliches«, sagte Daniel in einem wohlwollenden Versuch, die horrible Behauptung des Doktors abzumildern.
    Aber Karl Fischer gab nicht nach.
    »Ein solches Verhaltensmuster ist sehr ungewöhnlich für Kinder, die in guten Verhältnissen aufwachsen. Ich lernte natürlich sehr schnell, dass ein solches Verhalten bestraft wird und mir auf lange Sicht keinen Nutzen bringen würde. Es ging also darum: erstens solche Handlungen zu

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