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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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ein Holzfäller und Kiefer wie eine Bulldogge.
    »Was habe ich gesagt?«, flüsterte Daniel schaudernd. »Will sie uns auffressen?«
    Max zuckte mit den Schultern.
    »Bisher ist mir nichts passiert. Ich glaube, sie wartet, bis ich einen ordentlichen Bierbauch habe. Sie kneift mich manchmal in die Seite, um zu sehen, wie weit ich bin. Prost, Bruderherz! Es ist unheimlich toll, dass du hier bist!«
    Sie hoben ihre Krüge.
    »Finde ich auch. Es ist schöner hier, als ich dachte. Ich hätte nie erwartet, dass …«, sagte Daniel, wurde aber von einem überraschenden »Kuckuck« unterbrochen, und erst jetzt bemerkte er die große Kuckucksuhr, die über ihnen an der Wand hing.
    Das Uhrwerk setzte eine ganz Szene in Gang. Außer
dem Kuckuck, der aus seiner Klappe kam, gab es einen Mann, der Holz hackte, und eine Frau, die eine Ziege melken wollte. Aber die Ziege trat aus und warf den Eimer um, den die Frau immer wieder aufstellte.
    »Du liebe Güte«, sagte Daniel verwirrt, als die Vorstellung vorbei war und der Kuckuck wieder hinter seiner Klappe verschwand.
    Max schien es nicht zu kümmern. Er trank gierig einen großen Schluck Bier, ein bisschen Schaum tropfte auf den Tisch. Ein kleiner, magerer Mann mit Schürze und dünnem, zurückgekämmtem Haar tauchte lautlos wie ein Gespenst aus dem Dunkeln auf und wischte den Schaum mit einem Lappen weg. Als der Mann sich über das Teelicht auf dem Tisch beugte, sah Daniel seine Wangenknochen, die wie bei einem Skelett hervorstanden.
    »Das war Hänsel, nicht wahr«, sagte er, als der Mann sich nach einer stummen Verbeugung entfernt hatte. »Er passt auf, dass er nicht zunimmt.«
    »Es gibt auch eine Gretel. Ich weiß nicht, ob sie heute hier ist«, sagte Max und schaute sich im Lokal um. »Vielleicht hat man sie schon aufgegessen. Würde mich nicht wundern. Sie ist recht appetitlich. Wenn ich meine kleine Giulietta nicht hätte, würde ich vielleicht auch mal kosten wollen.«
    »Wer ist Giulietta? Deine Neueste?«
    »Die Neueste, Letzte und Einzige. Die zweiundzwanzigjährige, wunderschöne Tochter eines Olivenbauern aus Kalabrien. Sie wohnt noch bei ihren Eltern, aber wir sind verlobt.«
    »Eine Zweiundzwanzigjährige? Du bist ja dreizehn Jahre älter«, wandte Daniel ein.
    »Das ist in Kalabrien nichts Ungewöhnliches. Ihre Eltern sind sehr zufrieden mit mir. Ich bin reif, erfahren und gut situiert.«
    »Und ausgebrannt. Stationär in einer Reha-Klinik. Aber das hast du ihnen vielleicht nicht erzählt?«
    »Nein, ich habe ihnen gesagt, dass ich in Schweden auf Geschäftsreise bin.«
    »Und Giulietta? Ist sie auch zufrieden mit dir?«
    »Sie ist verrückt nach mir.«
    »Und sie glaubt auch, dass du in Schweden auf Geschäftsreise bist?«
    »Ja. Aber ich werde jetzt runterschalten. Wenn ich Himmelstal verlassen habe, werden wir heiraten und uns in Kalabrien niederlassen. Wir bauen Oliven an. Bekommen Kinder. Sieben, acht Kinder.«
    Er nickte zufrieden, als ob er diesen Beschluss gerade eben gefasst hätte. Dann sah er auf und fragte:
    »Du hast keine Kinder, oder?«
    »Nein, das weißt du doch. Emma wollte noch warten, und dann haben wir uns scheiden lassen.«
    Max legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
    »Keine Panik. Wir Männer haben Zeit genug. Bei Frauen ist das anders. Trinken wir noch ein Bier?«
    »Ich habe ja das noch nicht ausgetrunken. Aber bestell ruhig noch eins für dich. Ich bezahle.«
    »Du bezahlst nichts. Du bist mein Gast«, sagte Max und bestellte mit einer Handbewegung ein weiteres Bier bei der Bulldoggen-Frau.
    Das Lokal war jetzt voll und der Geräuschpegel hoch. Die meisten Gäste waren Männer, die man in der spärlichen Beleuchtung aber nur schemenhaft wahrnahm. Außer ein paar Spots am Tresen gab es nur Teelichter auf den Tischen.
    »Der Aufenthalt hier scheint dir gutzutun«, sagte Daniel. »Ich habe mir tatsächlich Sorgen gemacht, als ich deinen Brief bekam.«
    »Ich habe doch gesagt, das ist Europas beste Klinik für
die Behandlung eines Erschöpfungssyndroms. Aber du hättest mich sehen sollen, als ich hier ankam.«
    Max legte den Kopf schief, ließ die Zunge aus dem Mund hängen und verdrehte die Augen.
    »Erschöpfungssyndrom«, wiederholte Daniel. »Die Diagnose hast du noch nie bekommen.«
    »Nein. Erstaunlicherweise nicht. Im Grunde kamen meine Zusammenbrüche immer dann, wenn ich eine Zeitlang sehr hart gearbeitet habe. Beim letzten Mal habe ich Tag und Nacht geschuftet. Ich habe ja nie geschlafen. Kein Wunder, wenn man da

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