Himmelstal
auseinander. Und es braucht auch nicht sehr viel, um uns wieder zusammenzufügen. Zeit.
Ruhe. Eine angenehme, natürliche Umgebung. Einfache, kleine Dinge.«
Daniel nickte nachdenklich.
»Bei dir ist es also … Selbstheilung?«
Max wandte sich ihm mit einem strahlenden Lächeln zu.
»Laut Frau Obermann bin ich jedenfalls auf einem guten Weg.«
»Das freut mich zu hören.«
Max nickte kurz und schlug die Hände mit einem lauten Klatschen zusammen, als Zeichen dafür, dass dieses Gespräch zu Ende war.
»Aber jetzt müssen wir etwas essen.«
7 Zu Daniels großer Verwunderung beherbergte die Klinik ein Restaurant, das aussah wie jedes andere gepflegte Restaurant auf der Welt. Es lag im zweiten Stock des Haupthauses, hatte Stuckdecken und Orientteppiche. Die Tische waren weiß eingedeckt, mit langstieligen Gläsern und Leinenservietten. Außer einem älteren Mann, der allein in einer Ecke saß, war niemand im Lokal.
»Ist das für die Patienten?«, rief Daniel erstaunt aus, Max steuerte auf einen Tisch zu und setzte sich.
»Was für Patienten? Hier gibt es keine Patienten. Wir sind Gäste, die teuer dafür bezahlen, sich hier eine Weile auszuruhen. Anständiges Essen in angenehmer Umgebung ist wohl das mindeste, was man erwarten kann. Wir nehmen die Forelle.«
Max wedelte der Bedienung abwehrend zu, als sie ihnen eine Speisekarte reichen wollte.
»Und eine Flasche Gobelsburger. Kalt.«
Die Bedienung lächelte ihm freundlich zu und entfernte sich.
»Und wie geht es dir, Daniel, oder habe ich dich das schon gefragt?«, sagte Max.
»Mir geht es gut. Ich wohne wieder in Uppsala, wie du weißt. Das EU -Leben wurde mir zu stressig. Am Ende ging es mir richtig schlecht. Und dann noch die Scheidung. Du weißt schon.«
»Hier kommt der Wein!«
Max probierte den kleinen Schluck, den die Bedienung ihm eingeschenkt hatte, und nickte zustimmend.
»Probier den mal, Daniel. Ich trinke fast jeden Tag ein, zwei Gläser davon.«
Daniel nippte am Wein, der frisch und trocken war, wirklich sehr gut.
»Es wurde alles zu viel«, sagte er jetzt.
»Zu viel? Hast du heute schon etwas getrunken?«, sagte Max erstaunt.
»Nein, nein. Zu viel … Vergiss es. Es ist ein wunderbarer Wein. Frisch, erquickend.«
»Erquickend. Das ist genau das Wort. Du hast immer so tolle Wörter für alles, Daniel. Aber du bist ja auch Experte für Sprachen.«
»Nein, nein. Ich bin Dolmetscher. Oder war.«
»Aber Dolmetscher sind doch Sprachexperten!«
Daniel zuckte verlegen die Schultern.
»Ich lerne leicht Sprachen«, gab er zu. »Aber eigentlich bin ich bloß ein Papagei.«
»Papagei? Ja, da ist etwas dran. Du ahmst gerne Leute nach, Daniel. Und gleichzeitig hast du schreckliche Angst, wie die anderen zu sein. Wie ich zum Beispiel. Warum hast du diese Angst?«
»Ich habe keine Angst. Ich versteh nicht, warum du das sagst«, protestierte Daniel aufgeregter, als er eigentlich wollte.
»Nun ja, lass uns nicht streiten. Die kleine Marike bekommt sonst Angst, glaube ich.«
Er lächelte der Bedienung zu, die mit zwei gefüllten Tellern neben ihrem Tisch stand.
»Du kannst servieren, Marike. Er sieht gefährlich aus, aber er beißt nicht.«
Die Forelle war im Ganzen gebraten und wurde mit neuen Kartoffeln, geschmolzener Butter und Zitrone serviert.
»Süß, die Kleine, nicht wahr?«, sagte Max, als die Bedienung sich ein paar Schritte entfernt hatte. Sie war bestimmt über vierzig und wirklich keine Kleine mehr.
»Nicht im üblichen Sinn«, fügte er hinzu. »Aber sie hat etwas. Hast du gesehen, was für einen breiten Hintern sie
hat? Wie alle Frauen, die hier aus der Gegend kommen. Du siehst es einer Frau sofort an, ob sie aus den Bergen kommt oder zugezogen ist. Also ich rede von denen, die seit Generationen hier leben. Sie haben alle einen Überschuss an Unterhautfett, besonders konzentriert auf Hintern und Hüften. Die Männer sind auch korpulent, aber an den Frauen sieht man es deutlicher. Weiß du, warum das so ist?«
»Dass man es bei den Frauen deutlicher sieht? Weil man sie lieber anschaut als die Männer, nehme ich an«, sagte Daniel.
»Das meine ich nicht. Ich frage mich, warum sind die Menschen hier oben in den Bergen fetter als im Flachland? In allen Bergregionen der Welt ist das so. Aber nicht nur da. Inselbewohner, in der Südsee zum Beispiel, oder Menschen, die tief im südamerikanischen Dschungel leben, sind stämmig und fett. Während Völker der Ebene, die Massai in Ostafrika zum Beispiel, groß und schlank
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