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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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Publikum geizig und klatschte besonders heftig. Das Mädchen schaute
in ihre Richtung und blinzelte ihm zu. Oder vielleicht Max?
    »Lass uns die Gelegenheit nutzen, bevor sie wieder anfangen«, sagte Max und stand auf.
    Er ging rasch zum Ausgang. Daniel folgte ihm rückwärts, immer noch klatschend und ohne die Sängerin aus den Augen zu lassen.
    Als sie bei der Tür waren, spielte das Akkordeon einen langen, saugenden Ton, und dann sangen sie ein Duett, aber Max hatte ihn schon in den Garten hinausgezogen, wo die Girlanden aus roten und grünen Lampions immer noch im Laub der Bäume schaukelten.
    »Es tut mir leid, wenn ich stresse, aber spätestens um zwölf müssen wir in unseren Zimmern und Hütten sein. Das ist die einzige Regel in dieser Klinik.«
    »Wer ist sie?«, fragte Daniel.
    »Die gesungen hat? Sie heißt Corinne. Sie ist fast jeden Abend in Hannelores Bierstube. Manchmal singt sie, manchmal bedient sie«, antwortete Max.
    Sie bogen von der Dorfstraße ab und gingen durch das Tannenwäldchen in Richtung Klinik. Als sie die Lichter des Dorfs hinter sich ließen, wurde es dunkel, der Tannenduft war intensiv. Daniel war plötzlich sehr müde.
    »Meinst du, in der Klinik kann man mir morgen früh ein Taxi besorgen?«, fragte er. »Damit ich zum nächsten Bahnhof komme.«
    »Willst du morgen schon wieder abreisen? Du bist ja gerade erst angekommen«, rief Max enttäuscht und blieb stehen. »Die meisten Angehörigen bleiben eine Woche.« 
    »Ja, aber ich hatte geplant …«
    »Was hattest du geplant? Eine Woche Ferien in den Alpen auf meine Kosten? Eine Stunde in einem Besucherzimmer mit deinem verrückten Bruder und dann nichts wie weg zu eigenen Vergnügungen?«
    »Nein. Oder … ich weiß nicht.«
    Daniel war jetzt so müde, dass er nicht mehr klar denken konnte. Wie sollte er nur den Berg bis zu Max' Hütte hinaufkommen? Seine Beine waren weich und wie aus Gummi. Und der Ton in der Stimme des Bruders machte ihm Schuldgefühle. Max hatte ja tatsächlich die Reise bezahlt, das stimmte.
    »Mach, was du willst, aber ich würde mich freuen, wenn du noch einen Tag bleiben würdest. Ich möchte dir noch so viel zeigen«, sagte Max und klang plötzlich sanft und bittend.
    Sie gingen den steilen Weg hinauf. Zwischen den Baumstämmen hindurch konnte man eines der modernen Klinikgebäude aus Stahl und Glas sehen. Nur das oberste Stockwerk war erleuchtet, es glich einem schwebenden Raumschiff.
    »Hier ist es wirklich schön«, sagte Daniel. »Als ich deinen Brief bekam, dachte ich, er kommt aus der Hölle. Ich habe mich auf der Briefmarke verlesen.«
    Max lachte laut, als hätte Daniel etwas unglaublich Witziges gesagt. Sie nahmen eine Abkürzung durch die Bäume, und Daniel wäre fast über eine Baumwurzel gestolpert, Max bekam ihn gerade noch zu fassen, immer noch lachend.
    »Wunderbar. Ganz wunderbar! Kennst du die Geschichte von dem Mann, der das Boot zur Hölle ruderte?«
    »Nein.«
    »Anna hat sie mir erzählt, als ich klein war. Also, ein Mann war dazu verdammt, die Toten über den Fluss in die Hölle zu rudern. Hin und zurück, hin und zurück, in alle Ewigkeit. Er war es unglaublich leid, wusste aber nicht, wie er den Job loswerden konnte. Eines Tages wusste er es. Und weißt du wie?«
    »Nein?«
    »Die Ruder einem anderen geben. Verstehst du? So einfach war es. Er brauchte nur einen Passagier zu bitten, eine Weile zu rudern. Dann war er frei und konnte abhauen, während der andere in alle Ewigkeit weiter rudern musste.«
    Max konnte gar nicht aufhören, über seine eigene Geschichte zu lachen.
    Sie waren jetzt im Park angelangt. Nachtfalter flatterten um die Lampen. Ein Scheinwerfer blendete sie, und im nächsten Moment kam ihnen eines der lustigen Elektroautos entgegen. Ein junger Mann beugte sich heraus und rief:
    »Na, ihr habt es aber gar nicht eilig. In zwanzig Minuten ist Nachtrunde, vergiss das nicht, Max.«
    »Mein Gott, wir müssen uns beeilen«, brummte Max.
    Fünf Minuten später betraten sie außer Atem die Hütte ganz oben am Hang.
    Daniel legte sich sofort und noch in Kleidern auf die Bank, die Max ihm als Schlafplatz angewiesen hatte. Er war völlig erschöpft. Max warf ihm eine Wolldecke und ein Kissen zu.
    »Du musst entschuldigen, aber ich hatte einen langen Tag«, murmelte Daniel schon halb schlafend.
    Ein Klopfen ließ ihn zusammenzucken.
    »Ich komme«, rief Max aus dem Bad, wo er sich die Zähne putzte.
    In Unterhosen und mit der Zahnbürste im Mund ging er zur Tür.
    »Die

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