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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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meine Freunde, guten Tag, guten Tag«, antwortete der Doktor.
    Er blieb vor Daniel stehen und schaute auf ihn herunter.
    »Guten Tag, Max.«
    Daniel beschattete die Augen mit der Hand, und noch ehe er antworten konnte, war der Doktor weitergegangen.
    Gegen ein Uhr wurde es leer am Pool. Daniel hörte jemanden etwas von Mittagessen sagen. Er war auch hungrig. Wo gab es in der Klinik Mittagessen? Wohl kaum in dem eleganten Restaurant, in dem er am ersten Abend mit Max gewesen war. Er konnte niemanden fragen, weil er so verraten hätte, dass er neu war. Er beschloss, einfach den anderen zu folgen.

 
    14  Der Speisesaal für die Patienten war ein großer, offener Raum, modern eingerichtet, mit Glaswänden zum Klinikpark. Man konnte wählen zwischen orientalischem Hühnchen und einem vegetarischen Nudelauflauf. Daniel entschied sich für das Hühnchen. Es war reichlich Platz, und Daniel setzte sich an einen leeren Tisch. Einige andere Patienten saßen auch für sich allein.
    Er hatte gerade zu essen angefangen, war überrascht, wie gut es schmeckte, als jemand neben ihm sagte:
    »Ich habe dich am Pool gesehen.«
    Daniel schaute auf. Neben seinem Tisch stand ein Mann in seinem Alter, leicht übergewichtig, er trug eine Jeansweste, und die dünnen blonden Haare hatte er im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Auf der einen Hand balancierte er das Tablett, und mit der anderen zog er den Stuhl auf der anderen Tischseite hervor. Er setzte sich und grinste:
    »Ich frage nicht um Erlaubnis, bevor ich mich setze.« Er fing an zu essen, schnell und gierig. »Aber das machst du ja auch nicht«, fügte er mit einem vielsagenden Augenzwinkern hinzu.
    Daniel dachte über eine passende Antwort nach.
    Der Mann hob abwehrend die Hand. Er sah aus wie ein Halbstarker aus irgendeiner gottverlassenen Kleinstadt.
    »Reg dich nicht auf, Kamerad. Das hast du ganz richtig gemacht. Er wird nicht zurückkommen, oder?«
    »Wer kommt nicht zurück?«, fragte Daniel vorsichtig.
    »Block. Den werden wir nie wiedersehen. Ist vielleicht auch gut so.«
    Daniel nickte nachdenklich. Genau davor hatte er sich gefürchtet. Jemandem zu begegnen, der Max kannte und mit ihm über die Dinge sprach, über die nur Max Bescheid
wusste. Oder es war ein Verrückter, der nur Unsinn redete.
    »Block ist verlegt worden«, sagte der Mann, den Mund voller Essen und starrte über Daniels Schulter.
    »Oh. Wirklich?«, sagte Daniel.
    Er hatte das deutliche Gefühl, dass Max nicht ganz ehrlich gewesen war, als er die Klinik und ihre Patienten beschrieben hatte.
    »Und wir wissen beide, warum.«
    »Natürlich«, murmelte Daniel, wobei er mit einem widerspenstigen Hühnerknochen kämpfte. Diesen Mann würde er in Zukunft meiden.
    »Block war nicht, was er zu sein vorgab.«
    Daniel ließ das Besteck sinken und hielt die Luft an. Dieses Gespräch war ausgesprochen unangenehm.
    »Und das mögen wir nicht.« Der Mann verfolgte ein paar neu angekommene Patienten mit dem Blick. Er beobachtete sie genau, sie ließen sich drüben an der Fensterfront nieder, dann verlor er das Interesse und wandte sich wieder an Daniel.
    »Wir sind uns da ähnlich, du und ich. Wir mögen keine Leute, die unter falscher Flagge segeln.«
    Ein paar unerträglich lange und stumme Sekunden lang fixierte er Daniel, seine Pupillen waren so scharf, dass Daniel sich wie auf eine Gabel gespießt fühlte. Dann sagte er:
    »Vielleicht warst ja du der Anlass, dass er verlegt wurde?«
    »Nein«, sagte Daniel erschrocken. »Absolut nicht. Ich habe nichts damit zu tun.«
    Der Mann holte einen Zahnstocher hervor und begann, seine Zähne zu reinigen. Er lehnte sich im Stuhl zurück und betrachtete Daniel amüsiert.
    »Schon gut«, sagte er. »Brauchst du was?«
    Er hielt mit dem Zeigefinger das eine Nasenloch zu und schnüffelte mit dem anderen.
    Daniel schüttelte den Kopf, entschuldigte sich und verließ den Speisesaal.
    Rasch ging er den Hügel hinauf in die Hütte von Max. Diese Art von Konfrontation musste er in Zukunft vermeiden. Er würde nicht mehr im Speisesaal essen.
    Drei, eventuell vier Tage würde Max wegbleiben, hatte er gesagt. Heute war Dienstag. Das hieß, Max würde Donnerstagabend zurückkommen, schlimmstenfalls am Freitag.
    Daniel suchte die getragenen Bermudashorts seines Bruders. Er durchwühlte die Taschen. Die Shorts rochen nach Rauch und hatten Rußflecke vom gestrigen Lagerfeuer. In der Gesäßtasche fand er das Portemonnaie. Max konnte wohl nichts dagegen haben, wenn er sein

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