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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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Fläche, wo etwa zehn Personen auf Klappliegen lagen. Manche hatten ihre Liege in den Schatten eines Baums gezogen.
    Daniel war sich immer noch nicht sicher, um welche Art Klinik es sich hier handelte. Max hatte es als Reha-Klinik für wohlhabende Burn-out-Patienten bezeichnet. Ein Erholungsheim, wo die Topleute der Wirtschaft bei Alpenluft und gutem Essen Kraft tanken konnten.
    Aber wie schlecht ging es den Patienten eigentlich? Er sah sich um. Die Menschen rund um den Pool sahen völlig normal aus. Keine Tics, Ausbrüche oder hysterisches Lachen.
    Zwei Männer benutzten einen Fußschemel als Tisch und spielten Karten. Die anderen sonnten sich. Ein leises Plumpsen war zu hören, wenn jemand ins Wasser glitt und ruhig seine Bahnen schwamm. Es war wie an jedem Hotelpool.
    Daniel ging lässig auf den Pool zu, nickte den Anwesenden höflich und diskret zu, nahm eine leere Liege und trug sie zu einem schattigen Platz auf der Wiese. Er stellte sie
auf, breitete das Badetuch darüber, holte sein Buch heraus. Er bemerkte, dass er beobachtet wurde. Die Menschen direkt am Pool – es waren alles Männer, sah er jetzt – hatten sich alle in seine Richtung gedreht und betrachteten ihn neugierig.
    Daniel blieb stehen. Hatte er etwas falsch gemacht? War sein Benehmen so anders als das von Max? Vielleicht ging Max nie an den Swimmingpool?
    Er ließ sich langsam auf die Liege sinken und begann zu lesen. Er schielte über den Rand des Buchs. Die anderen beobachteten ihn immer noch.
    Die Karten spielenden Männer waren aufgestanden, sie standen dicht beieinander, unterhielten sich und schauten dabei in seine Richtung. Der eine, ein magerer Kerl in lächerlich engen Badehosen, verließ die Gruppe und kam ruhig über die Wiese zu ihm herüber.
    Der Mann stellte sich neben Daniels Stuhl und schaute auf ihn hinunter. Er stand so nah, dass Daniel die Konturen seines Geschlechts unter dem enganliegenden Nylonstoff sehen konnte und die Rippen unter der trockenen, haarlosen Haut.
    Daniel legte das Buch zur Seite und richtete einen fragenden Blick nach oben. Der Mann schwieg. Er sieht, dass ich nicht Max bin, dachte Daniel. Er überlegte, ob er das Spiel fortsetzen oder gleich alles zugeben sollte. Letzteres wäre zweifellos das einfachste.
    »Du hast wohl die falsche Liege genommen«, sagte der Mann.
    »Verzeihung«, sagte Daniel. »Ich dachte, sie wäre frei.«
    Der Mann sagte nichts, rieb sich jedoch mit nervösen Bewegungen an der Schulter. Es sah aus, als würde er sich selbst massieren.
    »Ich kann sie zurückstellen«, sagte Daniel freundlich.
    Der Mann sagte immer noch nichts. Sein Reiben war in
eine Art leichtes Klopfen von Schulter und Arm übergegangen. Er schien sich selbst zu beruhigen, so wie man ein ängstliches Pferd beruhigt. Daniel glaubte nicht, dass der Mann einer von den ausgebrannten Topmanagern war, von denen Max gesprochen hatte.
    Er trug die Liege zurück und stellte sie wieder an den Rand des Pools.
    »Okay?«, fragte er.
    Der Mann rieb sich immer schneller auf der Schulter und im Nacken.
    Einer der Freunde deutete auf eine Steinplatte. Sein Körper war mit einer stahlgrauen Wolle bedeckt, den Finger schmückte ein auffälliger Ring mit einem dunkelroten Stein.
    »Da«, sagte der Mann.
    Daniel sah nichts Besonderes an der Stelle, auf die der Mann deutete.
    Der Mann wedelte leicht mit der Hand in Richtung der Liege, als würde er Brotkrumen in der Luft zusammenkehren, und zeigte wieder mit dem Finger auf die Steinplatte.
    Daniel stellte die Liege an die Stelle, auf die der Mann deutete. Der Magere hörte auf zu reiben, und alle um den Pool schienen aufzuatmen.
    Die Männer setzten sich und sprachen weiter, ohne sich um Daniel zu kümmern. Die anderen sonnten sich wieder.
    Die Veränderung der Stimmung war so deutlich, dass Daniel erst jetzt merkte, wie angespannt sie gewesen war. Als würde ein großes Raubtier verschwinden und die Vögel wieder zwitschern.
    Er traute sich nicht mehr, eine Liege zu nehmen, und setzte sich auf sein ausgebreitetes Handtuch an einen Baumstamm und holte sein Buch heraus. Die Sonne wärmte, er
fand es angenehm, so glatt rasiert und kurz geschoren zu sein.
    Ein großer, etwas gebeugter älterer Mann in einem Leinenanzug tauchte am Pool auf. Er spazierte mit kraftvollen Schritten umher, wie ein Gutsherr, der seine Liegenschaften inspiziert, nickte er nach allen Seiten. Die Patienten setzten sich auf und grüßten.
    »Guten Tag, Doktor Fischer«, kam es von den Sonnenstühlen.
    »Guten Tag,

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