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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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war weg.
    Aber Max' Bermudashorts hingen über der Rücklehne des zweiten Sessels, das Piquéhemd lag auf der Sitzfläche. Und Max' teure Sportschuhe aus weichem Leder standen an der Tür.
    Daniel wurde plötzlich bewusst, dass von seinen Sachen nur noch die Unterhosen, die er anhatte, da waren. Reflexartig legte er die Hand darauf, wie um sie festzuhalten.
    Die andere Hand drückte er, ebenso reflexartig, an seine glattrasierte, entblößte Wange.

 
    13  In einem der beiden Schränke fand Daniel eine saubere Hose und ein T-Shirt, das er anziehen konnte. Er zog auch die hellbraunen Sportschuhe, die Max an der Tür stehen gelassen hatte, an, sie passten ihm.
    Was ihn am meisten ärgerte, war, dass Max seine Brille mitgenommen hatte. Die Brille war eine Verlängerung seiner Sinne, ein Teil von ihm. Ohne sie war das Leben diffus und uninteressant und Lesen nicht möglich.
    Im Badezimmer fand er eine große Packung Einmal-Kontaktlinsen. Als Kinder hatten die Brüder den gleichen Sehfehler gehabt, und das war offenbar immer noch so, denn als Daniel nach langem Gefummel die Linsen schließlich in den Augen hatte, konnte er genauso scharf sehen wie mit seiner Brille.
    Das machte alles gleich viel besser. Durch eines der kleinen Fenster der Hütte konnte er über das Klinikgelände hinüber zum Hang sehen. Die Felswand auf der anderen Seite kam ihm erstaunlich nahe vor. Die Klinik befand sich offenbar in einem sehr engen Teil des Tals.
    Drei, vielleicht vier Tage musste er also hier zubringen. Es ärgerte ihn, dass Max es so eilig gehabt hatte. Wahrscheinlich hatte er befürchtet, Daniel könnte es sich noch anders überlegen. Seine Furcht war berechtigt. Daniel hatte es sich anders überlegt. Er wollte nicht als Ersatzmann von Max auftreten. Hatte er überhaupt zugestimmt? Daran konnte er sich nicht erinnern. Er konnte sich allerdings auch nicht erinnern, deutlich nein gesagt zu haben. Aber er war überzeugt davon gewesen, dass Max' Wahnsinnsplan scheitern und das Personal über seinen falschen Bart und die Wollmütze lachen würde.
    Sollte er zum Hauptgebäude hinuntergehen und der Hostess an der Rezeption den Betrug offenbaren? Dann
würde nach Max gefahndet, er würde gefasst und wegen Betrugs verklagt werden. Vielleicht müsste Daniel selbst mit unangenehmen Folgen rechnen. Er beschloss, es bleiben zu lassen.
    Es ging schließlich nur um ein paar Tage. Er hatte eine eigene Hütte und brauchte nicht mit anderen Patienten zu reden. Wenn er sich allein fühlte, konnte er ins Dorf hinuntergehen und in Hannelores Bierstube ein Bier trinken. Vielleicht würde Corinne da sein und singen, mit den Augen rollen und mit ihrer Kuhglocke läuten? Er würde hingehen und nachschauen, ob die echte Frau etwas mit seiner Traumfrau gemein hatte. Auf einmal kam es ihm viel leichter vor, die Tage zu überstehen, wenn er an Corinne dachte.
    Aber es war noch eine lange Zeit bis zum Abend. Was sollte er bis dahin machen?
    Zunächst frühstückte er. Im Kühlschrank waren Eier und ein Stück Wurst. Pulverkaffee. Kein Brot.
    Als er gefrühstückt hatte, war es zehn Uhr. Er öffnete die Tür und schaute hinaus. Es war warm. An der Hütte nebenan saß ein Mann unbestimmbaren Alters. Er lehnte mit dem Kopf an der Hüttenwand, die Augen waren geschlossen, der Mund halb offen. Die herabhängenden Wangen gingen direkt in die breiten Schultern über. Er schien zu schlafen, aber als Daniel die Tür wieder schließen wollte, sagte er:
    »Morning.«
    Die Stimme war sehr hoch, man konnte kaum glauben, dass sie aus diesem riesigen Körper kam. Der Mann hatte immer noch die Augen geschlossen. Daniel schaute zu den anderen Hütten hinüber, aber sonst war niemand draußen.
    »Guten Morgen. Schönes Wetter. Sehr warm«, sagte Daniel, bekam jedoch keine Antwort von dem Mann.
    Er wusste nicht, in welcher Beziehung Max zu seinem Nachbarn stand, aber wenn sie auf dieser Ebene verlief, würde er es schon schaffen.
     
    Daniel erinnerte sich, weiter unten auf dem Klinikgelände einen Swimmingpool gesehen zu haben. Er suchte nach einer Badehose, nach Sonnenbrille und Handtuch, steckte alles zusammen mit dem Taschenbuch, das er am Abend zuvor zu lesen begonnen hatte, in eine Plastiktüte und verließ die Hütte. Die Luft streichelte seine frisch rasierten Wangen.
    Er blieb ein Stück vom Pool entfernt stehen und sondierte die Lage. Er hatte keine Lust, irgendjemanden zu treffen, der Max kannte und ihn in ein Rollenspiel zwang.
    Neben dem Pool war eine gepflasterte

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