Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson

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Elektrizität ist weiter draußen schwächer und ganz innen am stärksten.«
    »Und die Zone 1?«
    »Das ist eine Warnungszone. Damit man sich nicht aus Versehen in die Zone 2 verirrt. Sie verläuft wie eine Schlaufe zwischen den erlaubten Gebieten und der Zone 2. Die Zone 1 ist streng überwacht mit Kameras und Bewegungsmeldern. Wenn du trotz der Warnschilder die Zone betrittst, wird ein Alarm ausgelöst, und eines der Wachautos, die immer durch das Tal patrouillieren, fährt schnell hin und kümmert sich um dich. Hoffentlich bevor du in die Zone 2 kommst, aber wenn das Auto zum Zeitpunkt des Alarms zu weit entfernt ist, kann schon passieren, was dir passiert ist. Und dann gibt es natürlich noch eine Zone 3.«
    »Natürlich«, sagte Daniel ironisch. »Und eine Zone 4 und eine Zone 5.«
    »Nein, nein. Es gibt nur drei Zonen. Die drei Schalen, wie wir immer sagen. Himmelstal ist wie ein Ei mit drei Schalen.«
    Gisela malte ein Oval in die Luft.
    »Die Zone 3 ist wieder eine Warnungszone. Nach draußen, gegen die Außenwelt. Damit kein Bergsteiger oder verirrter Tourist die Zone 2 betritt. Die Zone 3 ist ein sehr großes Gebiet, das die anderen Zonen einschließt und fast nur aus unzugänglichen Bergen besteht. Dass jemand auf diesem Weg hereinkommt, ist sehr unwahrscheinlich, aber es stehen überall Schilder, dass es sich um militärisches Sperrgebiet handelt, der Zutritt verboten ist und Übertretungen Lebensgefahr bedeuten.«
    »Militärisches Sperrgebiet? Warum lügen Sie?«
    »Himmelstal ist … ja, nicht gerade ein Geheimprojekt, aber auch nicht richtig öffentlich. Wir hoffen, dass wir offener werden, wenn wir Forschungsergebnisse vorweisen können. Wenn wir jetzt an die Öffentlichkeit gingen, müssten wir all unsere Energie auf Erklärung und Verteidigung verwenden. Das können wir uns nicht leisten.
Die Behörden sämtlicher EU -Länder stehen hinter uns, es gibt hier nichts Finsteres. Aber noch ziehen wir die Geheimhaltung vor.«
    Daniel betrachtete Gisela Obermann. Sie saß jetzt aufrecht im Liegestuhl, ihre Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Sie sah irgendwie glücklich aus. Als wäre sie gerade erleuchtet worden. Von keinem der Patienten, die er bisher in der Klinik getroffen hatte, war so viel Wahnsinn ausgegangen wie von dieser Frau. Gab es überhaupt ein Körnchen Wahrheit in dem, was sie erzählte, oder waren das alles ihre Phantasien? War sie vielleicht in Wirklichkeit eine Patientin, die auf merkwürdige Weise Zugang zum Sprechzimmer eines Arztes hatte?
    Er blickte über das Tal. Wolkenschleier schwebten wie Rauch vor den Riesenfiguren der Felswand im Süden. Bei seiner Flucht war er bis zu den hellgrünen Wiesen und den Laubwäldchen gekommen. Die Wachen hatten ihn in das Grün in Richtung Felsen gejagt, ihre Rufe und der Schein der Taschenlampen hatten die Nacht durchschnitten. All dies wusste er sicher. Und er wusste noch etwas: In diesem Grün war etwas Fürchterliches. Deswegen hatte er das Bewusstsein verloren, und deshalb hatte er diese Brandverletzungen erlitten.
    »Das mit den Zonen«, sagte er und kroch noch weiter unter die Decke.
    »Ja?«
    »Man kann doch problemlos auf der Autostraße herkommen.«
    »Ja, wenn man erwartet wird. Sonst nicht. Die Straßen führen durch die drei Zonen und sind scharf bewacht. Wenn ein unwillkommener Besucher beim Warnungsschild vor der äußeren Zone nicht umkehrt, ist schnell eine Patrouille zur Stelle und warnt ihn. Es kommt manchmal vor, dass Touristen sich verfahren.«
    »Und was ist mit erwarteten Besuchern?«
    »Alle, die einen Grund haben, nach Himmelstal zu kommen, also Personal, Warentransporte, Gastforscher und Angehörige, müssen sich vorher anmelden. Ihre Ankunft wird von den Straßenkameras rechtzeitig gemeldet, und dann werden sie kurz vor der Einfahrt in die Zone 2 kontrolliert.«
    Daniel erinnerte sich an seine Ankunft im Tal. An den dunkelblauen Transporter, an die uniformierten Männer, die ihn mit einem Metalldetektor untersucht und seinen Koffer kontrolliert hatten.
    »Wenn alles okay ist, wird der Strom und der Alarm ausgeschaltet, und das Auto kann durchfahren«, fuhr Gisela fort. »Dann wird beides wieder angeschaltet, und der Kreis ist wieder geschlossen.«
    »Also ein elektrisches Tor, das geöffnet und geschlossen wird«, sagte Daniel leise.
    Gisela Obermann nickte und drückte ihren Zigarillo am Balkongeländer aus.
    »Genau. Unsichtbar, aber effektiv. So wie das ganze Zonensystem: unsichtbar, aber effektiv.«
    Sie holte ihre