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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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natürlichen Umgebung zu studieren. Sie weder zu bestrafen noch zu behandeln. Sie studieren. Forschen, beobachten, messen. Um vielleicht irgendwann das Rätsel der Psychopathie zu lösen, die Ursachen zu finden und eine effektive Behandlung zu entwickeln. Das war das Ziel, wenn es auch noch in weiter Ferne lag.«
    »Eine Psychopathenkolonie«, sagte Daniel mit einem Pfeifen.
    Gisela Obermann streckte sich über das Balkongeländer und klopfte die Asche vom Zigarillo ab.
    »Genau. So weit waren sich die Teilnehmer einig. Das Problem war der Ort. Viele fanden, eine Insel wäre ideal für so ein Experiment. Eine Arbeitsgruppe bekam den Auftrag, die Möglichkeiten zu untersuchen. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Angebot an isolierten Inseln mit anständigen Lebensbedingungen ausgesprochen begrenzt war. Sie waren alle schon erobert und bewohnt. Die Inseln, die es noch gab, hatten entweder kein Grundwasser, keinen natürlichen Hafen, oder sie waren zu felsig, um bebaut zu werden. Offiziell wurde das Projekt dann aufgegeben.«
    Sie unterbrach sich, drehte sich zu Daniel und sagte plötzlich misstrauisch:
    »Ist das alles wirklich neu für dich?«
    »Ja, aber ich weiß nicht so recht, warum Sie es mir erzählen. Was wurde aus dem Projekt?«
    »Es wurde ein Bericht geschrieben. Der mit all den anderen Berichten in einem Archiv verschwand.« Sie streckte sich wieder über das Balkongeländer und ließ noch mehr Zigarillo-Asche durch die saubere Luft regnen. »Offiziell war das so. Aber einer der Konferenzteilnehmer, ein Neuropsychiater, war besessen von der Idee. Ein Bekannter hatte ihm erzählt, dass er sich einmal während einer Autoreise durch die Schweizer Alpen in ein entvölkertes enges Tal mit verfallenen Scheunen und einem verlassenen Klinikgebäude verirrt hatte. Der Psychiater, der übrigens mein jetziger Chef Karl Fischer war, fuhr in das Tal und fand, dass es perfekt geeignet war. Er suchte Investoren, und ein paar Jahre später wurde Himmelstal zu einem isolierten Gebiet zur Verwahrung von und zur Forschung an Psychopathen. Wir haben keinen offiziellen Status, aber in den meisten europäischen Ländern kennen die Behörden uns und schicken uns Patienten.«
    »Ich bin also in einer Psychopathenklinik?« Daniel lachte heiser. »Das erklärt, warum die Dorfbewohner so abweisend sind. Aber es sind doch nicht alle Patienten der Klinik Psychopathen? Soweit ich verstanden habe, sind hier viele Patienten mit Stressproblemen, Burn-out, Depressionen und Ähnlichem.«
    Sie schaute ihn an und lachte.
    »O Daniel, ich … ich werde darauf zurückkommen. Ich muss dir erst noch einiges erklären. Zum Beispiel das mit den Zonen, kennst du sie?«
    »Ich konnte nicht umhin, ihre Bekanntschaft zu machen. Besonders mit der ungastlichen Zone 2«, sagte Daniel sarkastisch und zeigte auf die verletzten Teile seines Körpers. »Aber Sie dürfen es mir gerne genauer erklären.
Es wäre sehr interessant zu erfahren, warum Sie unschuldige Besucher elektrischer Folter und Brandverletzungen aussetzen.«
    »Das war keine Absicht, und es tut mir sehr leid, dass dir das widerfahren ist. Du kanntest die Zonen offenbar nicht, sonst hättest du sie nicht betreten. Man hätte dich über die Gefahren informieren müssen. Ich hätte dich informieren müssen«, korrigierte sie sich. »Ich hätte aufmerksamer sein sollen, besser zuhören müssen, als wir miteinander sprachen. Es war unverantwortlich von mir, dich nicht zu warnen.«
    »Mich wovor zu warnen?«
    »Wie ich schon ausgeführt habe, muss das Gebiet total von der Umwelt abgegrenzt sein. Eine natürliche geografische Begrenzung gibt es schon durch die steilen Felsen, die das Tal umgeben. Aber das reicht natürlich nicht, weitere Hindernisse wurden benötigt. Mauern und Zäune passen nicht zum Profil des Projekts. Mit der Zone 2 haben wir eine unsichtbare, aber effektive Sperre geschaffen. Die Zone läuft in einem Band um das ganze Tal herum, der Boden ist mit stromführenden Leitungen vermint. Die Stromstärke ist nicht tödlich, aber stark genug, um eine Überquerung zu verhindern.«
    »Auf jeden Fall stark genug für mich.«
    »Du bist hingefallen und auf der stromführenden Leitung liegen geblieben. Die Wachen waren etwas zu spät vor Ort und konnten den Strom nicht rechtzeitig abstellen. Solche Brandverletzungen sind nicht beabsichtigt.«
    »Und was ist die Absicht?«
    »Du sollst abgeschreckt werden. Gehindert und konditioniert werden. Und bewusstlos werden, wenn du weitergehst. Die

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