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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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musste unwillkürlich grinsen. Sich den schönen Leo als Nacktschnecke vorzustellen, half irgendwie.
    „Ja, so ähnlich.“ Ich ging zum Tisch und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster. Lauter weiße Blüten flimmerten durch die Luft. An der Tanne war niemand mehr.
    „Deine Wangen glühen ja!“ Neve hielt mir ihre Hände links und rechts an die Wangen. Sie waren eiskalt. Es zischte sogar ein bisschen.
    „Einen Brand kann ich jetzt hier nicht gebrauchen. Du musst immer an die Grundübungen denken, die Jerome dir gezeigt hat. Du weißt, deine Emotionen haben ungleich stärkere Folgen als bei normalen Menschen.“
    „Ja, ja, ich weiß“, wehrte ich Neve ab. Dabei hatte ich in meiner Rage natürlich kein bisschen dran gedacht.
    Nach warmem Pflaumenpunsch war mir jetzt nicht mehr. Eher nach eiskalter Cola. Ich holte mir eine aus dem Kühlschrank und setzte mich auf die Bank daneben an den Tisch.
    Neve drang nicht weiter in mich. Bestimmt hatte sie mitbekommen, wen ich gerade abserviert hatte. Stattdessen fragte sie im Plauderton:
    „Was hast du heute gemacht?“
    Ich musterte sie. Sie trug heute ein weißes gerades Kleid aus Seidenstoff bis zu den Knöcheln, das über und über mit glitzernden Pailletten benäht war.
    „Du siehst aus wie ein Weihnachtsengel“, sagte ich.
    Neve ignorierte meine Stichelei und behielt ihren freundlichen Ton.
    „Warst du nicht bei Pio?“, half sie mir auf die Sprünge.
    Ich kippte den Rest der Cola runter. Neve setzte sich neben mich auf einen Stuhl. Ich fühlte mich wieder fast auf normale Körpertemperatur runter und einigermaßen ruhig. Ich erzählte ihr von meinen Antworten auf die E-Mails, dass mein Vater erstaunlich gelassen reagiert hatte und Luisa auch. Dann gab ich Wort für Wort die Antwort von Tim wieder.
    „Ich glaube, Tim ahnt irgendwie, dass etwas Übernormales vor sich geht. Er interessiert sich für paranormale Dinge und solche Sachen, weißt du …“
    „Oh …“ Neve machte ein besorgtes Gesicht.
    „Was hast du?“
    „Solche Leute machen immer Schwierigkeiten. Sie versuchen, was rauszufinden und kommen in Gefahr.“
    Ich dachte an all das, was ich heute in meinem Dom gelesen hatte.
    „Aber, warum ist auch alles so strikt getrennt? Warum muss die magische Welt geheim gehalten werden? Warum sind die Durchgänge überhaupt lebensgefährlich? Ist das ein Naturgesetz oder wer hat sich das ausgedacht?“
    „Kira, hör auf!“ Neve machte ein erschrockenes Gesicht.
    „Das sind gefährliche Gedanken.“
    „Das heißt, es ist kein Naturgesetz, sondern ein Gesetz der magischen Akademie?“, bohrte ich weiter.
    Neve wich einer direkten Antwort auf meine Frage aus. Stattdessen erklärte sie:
    „Die reale Welt existiert nur, weil die magische Welt existiert. Du kannst nicht die zwei Seiten einer Medaille auf eine Seite bringen. Dann gibt es keine Medaille mehr. Kein Gleichgewicht, kein Gegengewicht, keine Ausgewogenheit … Dann gibt es kein Leben mehr, verstehst du?!“
    „Aber, das ist doch alles total theoretisch …“
    Ich rutschte auf der Bank hin und her. Ich war schon wieder wütend. In meinen Wangen flimmerte es. Neve hieb mit ihrer kleinen Faust erstaunlich kräftig auf den Tisch und baute sich vor mir auf:
    „Konzentrier dich! Du bist schon wieder am Ausflippen!“
    Neves kräftige Stimme jagte mir einen Gänseschauer über den Rücken. So hatte ich sie noch nie gehört.
    „Die Gesetze bestehen seit tausenden von Jahren und das sicher nicht ohne Grund. Und sie werden schon gar nicht geändert, nur weil ein Teenager wie du einen Typen anhimmelt, ohne den er hier nicht klar kommt!“
    Am liebsten hätte ich den schweren Eichentisch durch die Küche katapultiert. Aber dann hätte ich Neves haltlose These nur untermauert. Ich war kein Teenager, der hier nicht ohne seinen Freund klar kam. Sowas Beklopptes! Ich atmete tief durch und konzentrierte mich. Ich visualisierte die Salamander und befahl ihnen, sich hinzulegen, so wie Jerome es mich bei der Sache mit den Vögeln gelehrt hatte.
    Neve stand jetzt ganz dicht vor mir und legte ihre Hände auf meine Hände, die ich auf die Tischplatte gestützt hielt, während ich schnaubte wie ein Stier, der sich gerade noch an einer Kette hielt. Auf einmal wurde ich ganz ruhig. Es musste von Neves Berührung kommen.
    „Entschuldige, war nicht so gemeint“, sagte sie. „Aber du schaffst es, selbst mich zur Weißglut zu bringen.“
    „Du hast ja recht, ich bin wahrscheinlich wirklich ein dummer Teenager, der

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