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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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eingebaut.“
    „Oh nein.“
    Leo ließ sich auf das Bett fallen.
    „Das Haus gehörte einem Freund von Jerome. Er wohnt jetzt nicht mehr in der magischen Welt, ist vor ein paar Wochen ausgezogen. Ich habe nur alles überarbeitet, was zu abgenutzt aussah. Ehrlich gesagt, er war mein Vorbild für mein eigenes Haus.“
    Ich blieb vor Leo und dem Bett stehen und sah mich um. So war das also. Es beruhigte mich. Alles andere wäre einfach viel zu viel gewesen.
    „Und, gefällt es dir nun?“ Leo richtete sich wieder auf und setzte sich auf die Bettkante.
    „Ja, es ist … es ist wirklich was Besonderes.“
    „Ich wusste, dass es dir gefällt! Mir auch. Sobald Neve grünes Licht gibt, kannst du hier einziehen …“
    „Aber ..“, wollte ich aufbegehren. Doch alle Worte in mir hatten sich irgendwo verkrümelt. Ich sah das blaue Haus vor mir mit den sonnengelben Wänden. Gleichzeitig behauptete etwas in mir, dass ich hierher gehörte. Dass hier mein neues Leben wartete, was zu mir passte. Ich, in diesem Haus und zusammen mit Leo. Eine seltsam reizvolle und gleichzeitig beunruhigende Phantasie.
    „Ich habe etwas mitgebracht.“ Leo zog ein großes, schwarz eingebundenes Buch aus seiner lilafarbenen Stoffumhängetasche, die mir schon auf unserem Spaziergang hierher aufgefallen war.
    Er legte sich das Buch auf den Schoß und sah zu mir hoch. Ich wollte mich neben ihn setzen, aber blieb stehen.
    „Wir können es auch unten in der Küche anschauen“, schlug er vor.
    Leo startete keinen Annäherungsversuch. Ich war erleichtert und gleichzeitig enttäuscht. Was war nur los mit mir? Ich ignorierte seinen Vorschlag und setzte mich neben ihn.
    „Das Tagebuch von Jerome?“
    Leo lächelte mich an und schlug das Buch auf. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einem solchen Abend ...
    ***
    Wir saßen auf dem runden, roten, weichen Podest, erst nebeneinander, dann liegend auf dem Bauch, in das Tagebuch vertieft, dann auf dem Rücken, redend und die kleinen roten Lichterkugeln beobachtend, als wären es Sterne, im Schneidersitz gegenüber und wild gestikulierend, als wären wir auf einer Insel und die Stunden verflossen um uns herum, als wären sie das Meer …
    Jeromes Schrift war geschwungen, weit nach oben und unten ausladend, unregelmäßig und wild. Man sah die ganze Leidenschaft seiner Jugend darin. Er hatte Alexander und Clarissa vergöttert. Das war nicht zu übersehen. Er hatte ihre Reden mitgeschrieben, jedes Wort, was sie sagten. Er hatte unzählige Fotos von ihnen gesammelt, aus Zeitungen und wahrscheinlich selbst geknipst, verblichene Farben, mit einem schlechten Apparat.
    Clarissa war eine wunderschöne Frau gewesen, mit topasbraunen Augen, langen dunkelblonden Haaren und einem ebenmäßigen Gesicht. Alexander hatte ähnlich stechende grüne Augen wie Leo gehabt, breite Schultern und eine edle Statur. Allein ihr Äußeres musste die Menschen für sie eingenommen und genau so viele Feinde herauf beschworen haben. Das Tagebuch endete abrupt mit einem Satz:
    Alexander und Clarissa sind tot.
    Und dann noch einem Satz auf der nächsten Seite:
    Aber sie werden wiederkommen, ich weiß es!
    Die letzten Seiten waren gewellt, zerkritzelt mit schwarzem Stift, der teilweise zerflossen war. Vielleicht war es ein Getränk gewesen, vielleicht hatte Jerome geweint. Teilweise hatte er so aufgedrückt, dass die Seite durchlöchert war. Hin und wieder stand zwischen dem Gekrakel:
    Ich weiß es …
    Hätte ich nicht gewusst, dass wir Jeromes Tagebuch in den Händen hielten, wäre ich sicher gewesen, die Seiten eines Irren vor mir zu haben. Es war schwer, das Chaos der letzten Seiten mit Jerome zusammen zu bringen. Leo erklärte mir, dass Jerome heute darüber lachte. Ich sagte Leo, dass er Augen wie Alexander hatte. Er sagte, dass es genauso gut auch meine Augen sein konnten. Ich vergaß immer, dass meine Augen inzwischen auch dieses unwirkliche Katzengrün angenommen hatten. Ich vermied es aus Gewohnheit, in den Spiegel zu schauen. Die Gedanken von Alexander und Clarissa und die von Jerome schienen sich im Tagebuch zu vermischen. Leo und ich stellten fest, dass wir zu den wichtigsten Punkten dieselbe Meinung hatten.
    Nie wieder sollten Gedächtnis und Fähigkeiten von Menschen gelöscht werden. Die magische Welt musste offiziell gemacht werden. Sie war die eigentliche Macht des Universums. Sie würde der Menschheit einen Quantensprung ohnegleichen ermöglichen. Keiner der Neuankömmlinge würde seine Familie und seine Freunde

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