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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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einem viel größeren Maßstab verbessern können. Etwas war in mir, was mich noch überforderte, aber es war da und es breitete sich aus.
    Wir standen vor der Haustür. Leo hatte die Kerzen ausgepustet und schloss das Haus ab.
    „Den Schlüssel bekommst du noch nicht. Den wird dir Sulannia überreichen, wenn es soweit ist.“
    „Ich zeig dir was!“, antwortete ich in einem Anfall von Übermut.
    Ich schlang meinen Arm um Leos Hüfte. Er fühlte sich groß und stark an. Würde ich das schaffen? Ich drückte die Zweifel weg und konzentrierte mich. Ich war mir auf einmal sicher, dass ich fliegen konnte. Etwas in mir sagte es mir. Es war stockdunkel. Niemand würde es merken. Ehe Leo irgendwas sagen konnte, hoben wir ab, schwangen uns über die Beerenbüsche und fegten über die Baumwipfel. Leo hielt sich an mir fest. Er wog ungefähr das Doppelte von mir. Aber hier in der Luft war er wie ein Blatt, das sich an einem Düsenjet verfangen hatte, so stark kam ich mir vor. Ich war so oft in Träumen geflogen. In meinen Träumen war es immer schwer gewesen, die richtige Höhe und Richtung zu halten. Hier dagegen war es spielend einfach, als hätte ich schon immer Flügel gehabt. Leo umschlang mich und brachte kein Wort heraus, weil die Luftströmung ihm den Atem nahm. Unter uns lag die magische Welt im Dunkeln. Irgendwann würde sie uns zu Füßen liegen. In dem Moment konnte ich mir alles vorstellen und fühlte mich glücklich.
    Wir landeten vor Leos Haus. Er sah zerzaust aus und brauchte eine Weile, bis er wieder festen Halt auf seinen Beinen hatte.
    „Wind …“, brachte er hervor und schnappte nach Luft. „Das ist unmöglich nur eine Affinität zu Wind … das ist …“
    „… unser Geheimnis“, vollendete ich den Satz. Ich hatte ihn, entgegen meinen Vorsätzen, nun noch mehr ins Vertrauen gezogen. Es war aus einem Impuls heraus geschehen. Weil ich ihn beeindrucken wollte, ihm beweisen wollte, dass ich in Wirklichkeit vor Selbstbewusstsein strotzte und kein Schuh der Welt mir zu groß sein würde.
    „Aber warum auch vor Jerome …?“, wollte er wissen.
    „Ich weiß nicht. Erst mal. Man sollte nie alle Trümpfe ausspielen. Er ist im Rat. Sagen wir, zu seinem Schutz.“
    In Leo arbeitete es.
    „Vielleicht hast du recht“, flüsterte er.
    Wir standen uns gegenüber. Leo hielt sich den ganzen Abend zurück, als wäre das Große, was in uns steckte, zu schade für eine Liebelei. Mein Kopf fand das genau richtig. Doch etwas tief in meinem Innern wollte ihn haben, mit Haut und Haar. Irgendetwas Dunkles und Feuriges hatte Verschmelzungswünsche. Ich war stark und auf einmal sicher, dass der große und schöne Leo nur schüchtern war. Ich packte seine Schultern, zog ihn an mich, schlang meine Arme um seinen Hals und drückte ihn an die Hauswand. Mir fiel ein, dass wir genau in der Sichtachse von Neves Fenster standen, aber es war mir egal. Leo schloss seine Arme um mich. Wir küssten uns lange und leidenschaftlich. Er verhielt sich, als wäre er süchtig nach mir. Es gab keinen Zweifel. Ich beschloss, die Führung zu behalten. Ruckartig löste ich mich von ihm und nahm meine Hände von seinen Schultern, schob ihn ein wenig von mir wie einen Gegenstand, den man zurück an seinen Platz stellt.
    „Gute Nacht, Leo.“ Er stand mit offenen Armen da und sah hinreißend aus.
    „Bis Morgen …“, seufzte er.
    Ich drehte mich um und lief hoch zu Neves Haus.
    „Kira …“ Mehr hörte ich nicht mehr von ihm. Ich war die Verführerin. Falls Leo bisher keinen Respekt vor mir gehabt hatte, was vielleicht nicht stimmte, dann hatte er jetzt welchen. Auf einmal war ich mir sicher: Ich konnte alles schaffen. Und ich gestand mir ein, dass ich verrückt nach Leo war. Bei der nächsten Gelegenheit würde ich eine wilde Nacht mit ihm verbringen. Eine Nacht, so richtig und mit allem drum und dran. So, wie er noch keine erlebt hatte.
    ***
    Ich schlich in Neves Haus und rechnete hinter jeder Ecke mit ihr. Bestimmt hatte sie schon eine Standpauke vorbereitet, warum ich erst kurz vor der Dämmerung nach Hause kam. Hoffentlich hatte sie mich nicht mit Leo gesehen. Ein bisschen peinlich war es mir jetzt doch. Gleichzeitig war sie mir noch eine Antwort darauf schuldig, warum sie Leo gestern Abend wieder weggeschickt hatte.
    Aber von Neve keine Spur. Ich spähte die Wendeltreppe hinauf in den zweiten Stock. Kein Licht in ihrem Zimmer. Vielleicht meditierte sie. Oder war sie unterwegs? Das konnte auch sein. Sie wusste, dass ich an den Häusern

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