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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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rausbringen wollte, damit er mich nicht vergaß und wir nach meiner Ausbildung in der magischen Akademie wieder zusammen sein konnten. Ich merkte, dass ich selbst nicht richtig wusste, was ich gemeint hatte. Mein Herz wollte zu Tim, aber mein Herz war schwach und hatte noch nie einen Sinn für die Realitäten besessen.
    Jerome schaltete sich ein.
    „Kommt her. Als allererstes müssen wir dich rausbringen, Kira. Und zwar schnell.“
    Jerome hatte uns einige Minuten Zeit gelassen, wahrscheinlich, damit wir unsere Teenager-Fehde austragen konnten. Nun winkte er uns zu den Fellen hinüber. Auf dem felsigen Boden standen große Gläser und Krüge mit Wasser. Ich hatte entsetzlichen Durst. Ich machte regelrecht einen Satz aus der Mitte zwischen Leo und Tim, als müsste ich einem Spannungsfeld entkommen, das mich festhielt. Die beiden folgten mir. Etwas in mir schüttelte ungläubig den Kopf. Die zwei schönsten Männer, um die sich alle rissen – ob in der einen Welt oder der anderen – bissen beide die Zähne aufeinander und folgten MIR. Das war doch nicht wahr.
    Ich beobachtete Tim, wie er sein Glas genau so gierig hinunterschüttete wie ich. Dann sah er mich an. In seinem Blick lag etwas unendlich Wehmütiges. Ich war irritiert, weil er die Tatsache, dass zwischen mir und Leo eine Beziehung bestanden hatte oder noch bestand, so kampflos hinnahm. Fast tat es ein bisschen weh. Warum regte er sich nicht auf, stellte er keine Fragen, zeigte er nicht mal ein bisschen Wut? War das wieder diese unendliche Gelassenheit und Überreife, an die ich eh nicht heranreichen würde? Auf einmal fühlte ich mich wieder klein neben Tim, trotz meiner Superkräfte.
    „Ich bringe sie raus. Ich werde das schaffen“, erklärte Leo.
    „Ich weiß, dass du entschlossen bist, Leo, aber es ist noch zu gefährlich.“
    „Sie ist bei Niemandem so sicher wie bei mir!“, brauste er auf.
    „Moment mal, worum geht es hier eigentlich?“, fuhr ich dazwischen.
    Jerome beugte sich vor.
    „Kira, dem Rat ist jetzt klar, was mit dir los ist. Niemand kann aus dem Grünen Raum entkommen, wenn er nur ein Element beherrscht, nicht mal, wenn es zwei sind. Erst ab drei scheint es eine Möglichkeit zu geben, wie du bewiesen hast. Und du hast mir nicht mal was von deinen Wind-Fähigkeiten gesagt.“
    „Ich habe es bis jetzt selbst nicht gewusst“, log ich und forschte in Leos Gesicht. Aber ich konnte darin nicht erkennen, ob Jerome erst durch meine Flucht hinter meine Windfähigkeiten gekommen war oder ob Leo mich bereits verraten hatte. Jerome sagte nichts dazu und fuhr fort:
    „Alles kommt zu schnell. Wir sind eigentlich noch nicht so weit, uns offiziell gegen den Rat zu stellen. Du bringst mich in ziemliche Schwierigkeiten, Kira. Aber es gibt eine Möglichkeit … „
    „Ich weiß … Es gibt eine Möglichkeit rauszukommen, von der niemand weiß“, unterbrach ich ihn ungeduldig.
    Jerome wechselte einen Blick mit Leo. Er wusste, dass Leo mir von solch einer Möglichkeit erzählt hatte. Deshalb war ihm klar gewesen, dass ich ihn aufsuchen und um Hilfe bitten würde.
    ***
    Ich hatte mit allem gerechnet. Mit Sprüngen in Abgründe, unangenehmen Prozeduren, Selbstverwandlungen oder der Einnahme von ekligen Substanzen. Aber das tatsächliches Antlitz der Möglichkeit , auch ohne die Durchgänge der Elemente und irgendwelche Begabungen zwischen den Welten zu reisen, schockte mich über alle Maßen.
    Ein Mann, den ich noch nie gesehen hatte, trat aus einer kleinen Höhle neben dem See hervor. Er sah klapprig und kreideweiß aus, trotz des orangeroten Lichtes. Er beugte sich zu mir und nahm meine Hand, als wäre ich eine Heilige. Ich zog sie schnell wieder zurück. Der Mann wirkte irgendwie krank, als zehrte ihn ein chronisches Leiden aus.
    „Das ist Igor“, stellte Jerome ihn vor.
    „Er ist einer von denen, denen man das Gedächtnis gelöscht und seiner Fähigkeiten beraubt hat – vor fünfzehn Jahren.“
    Ich erfuhr die Dinge, in die Leo bereits eingeweiht war. Jerome hatte einen magischen Geheimbund gegründet, aus Leuten, die aus dem einen oder anderen Grund ihrer Fähigkeiten beraubt und aus der magischen Welt verwiesen wurden. Er hatte sich um sie gekümmert, sie wieder aufgebaut, ihnen ihre Geschichte erzählt, was die magische Welt betraf. Meist ließ sich ihre Biographie davor jedoch nicht mehr aufdecken. Und so blieben Kindheit und Jugend bei den meisten ein dunkles Kapitel. Sie kannten ihre Eltern, Geschwister und Freunde nicht. Aber sie

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