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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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mir? Ich wusste es nicht genau. Jedenfalls mahnte sie mich dringlich und ohne Unterlass: Konzentrier dich. Verdammt! Vertrau dir endlich! Verdammt, konzentrier dich!
    Ich sah, wie Tims rechte Hand von einem heißen Gesteinsbrocken getroffen wurde, der ihm eine großflächige Wunde auf die Finger brannte. Tim zitterte unter mir, aber wehrte sich nicht mehr. Ich erinnerte mich an Neve, wie sie am Anfang vor mir gestanden und die Hände ausgebreitet hatte, um mein Feuer zur Ruhe zu bringen. Ich musste aufstehen und es genauso machen. Ich musste es riskieren, auch wenn Tim dann für Sekunden schutzlos war. Ich sprang auf die Füße und erhob meine Arme gegen das Inferno. Ich stellte mir vor, wie sich Heerführer gefühlt haben mussten, wenn sie vor tausenden Menschen standen und ihre Befehle gaben. Da war kein Raum für Unsicherheit und Zweifel. Ich befahl den Salamandern, Sylphen und Gnomen, sich zu vereinen. Sie mussten meine Macht spüren. Sie mussten spüren, dass ich die Macht über sie hatte!
    Und es gelang. Der Steinregen hörte auf. Die Flammen formten Blitze und rissen damit den Himmel auf. Fetzen von Himmel schnappten zur Seite weg wie große Rollos. Da, wo die Blitze in die Erde sausten, rollte sich die Grasnarbe nach links und rechts auf. Die Sylphen gaben ein einstimmiges Heulen von sich und fegten die Schneise frei von Staub und Geröll. Am Ende sah ich Bäume. Die Bäume des magischen Waldes.
    „Komm!“, schrie ich und zog Tim an den Armen hoch. Aber er hatte keine Kraft. Zum Glück war es mir ein Leichtes, ihn auf meinen Rücken zu werfen und festzuhalten. Meine Füße lösten sich vom Boden. Wir sausten die Schneise entlang. Die Sylphen zogen uns, damit wir schneller wurden. Die Gnome zerstoben Erdhügel und Steinbrocken, die uns im Wege waren. Die Salamander verbrannten Fetzen des künstlichen Himmels, der uns ins Gesicht zu schneiden drohte. Sie gehorchten mir. Alle. Ich konnte es kaum fassen. Das Gefühl, was mich durchströmte, war unbeschreiblich.
    Augenblicke später fielen wir buchstäblich vom Himmel und purzelten auf moosigem Boden übereinander. Es war weich und roch gut. Plötzlich herrschte absolute Stille, als hätte jemand den Stecker von einem sich überschreienden Radio gezogen.
    Tim lag jetzt auf mir und rührte sich nicht. Okay, das mit dem Landen musste ich noch ein bisschen üben. Ich kroch unter ihm hervor.
    „Tim?“ Er gab keine Antwort. Ich drehte ihn auf den Rücken. Sein Gesicht war voller Dreck und blutverschmiert. Er wirkte leblos. Ich kam mir vor wie ein Monster, das sein bestes Spielzeug zerstört hatte. Mir wurde bewusst, was aus mir geworden war, ein Wesen, das die zerbrechliche Menschlichkeit völlig ablegen konnte. Die Wonne des Triumphes, die mich eben noch bis in die letzte Zelle erfüllt hatte, kippte um in nacktes Entsetzen. Hatte ich ihn etwa …
    Seine Lider zuckten. Er öffnete die Augen und stöhnte. Meine Dankbarkeit in diesem Moment ließ sich kaum beschreiben.
    „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Ich starrte erwartungsvoll auf ihn. Tim versuchte mit viel Mühe, ein paar Worte zu formen.
    „Ich … ich weiß nicht …“, brachte er hervor.
    Ich hockte mich hinter ihn und versuchte, seinen Oberkörper etwas aufzurichten und gegen meine Brust zu lehnen.
    „Es tut mir so leid … so leid …“ Ich kämpfte mit den Tränen.
    „Haben … wir … es … geschafft?“, brachte er stockend hervor.
    „Ja, das haben wir. Aber wir müssen sofort hier weg. Sie können jeden Moment auftauchen, Leute vom Rat.“
    Tim half mit, sich aufzurichten, aber es fiel ihm sichtlich schwer. Nur mit äußerster Anstrengung kam er auf die Beine. Er schien überall Schmerzen zu haben. Ich legte mir seinen Arm mit der gesunden Hand um meine Schulter. Den anderen Arm mit dem verbrannten Handrücken hielt er in Schonhaltung. Die Hand sah fürchterlich aus, voller Schmutz und blutig. Seine Kleidung war zerschlissen und mit Brandlöchern übersät, aber wie es aussah, hatte er sich nichts gebrochen. Es gab nur eine Person, die uns jetzt helfen konnte. Ob sie es tun würde, war zweifelhaft, aber ich musste es wenigstens versuchen.
    „Los, lehne dich auf meinen Rücken und schling die Arme um meine Schultern. Schaffst du das?“
    Doch Tim machte keine Anstalten, es zu versuchen.
    „Kira, hör mir zu, ich muss dir was sagen …“ Er klang sehr ernst und feierlich. Aber das war jetzt nicht der richtige Moment für irgendwelche großen Geständnisse.
    „Nicht jetzt!“, unterbrach ich

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