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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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ruhig und machte mein schlechtes Gewissen nur noch größer.
    „Keiner weiteren. Und ich wollte eigentlich in Ruhe mit dir darüber sprechen, aber… Ich bin spät abends noch in das Büro, bevor ich zum zweiten Mal mit Taucherausrüstung in den Kanal ging. Ich wollte dich nicht aufbringen, wegen der Geschichte mit deinem Vater. Außerdem, es ist von Vorteil, ein paar Pläne des Abwassersystems zu haben, bevor man darin herum taucht. Die waren leicht zu finden.“
    „Schon gut. Es tut mir leid.“
    Oh Mann, Tim hatte so viel für mich getan, sein Leben aufs Spiel gesetzt … und es verschenkt. Dass mit meinem Vater und Jerome irritierte mich. Was steckte dahinter? Wusste mein Vater etwa Bescheid? Aber warum sollte Jerome ihn einweihen in die Geheimnisse der magischen Welt? Dass Jerome das getan hatte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Vielleicht hatte er sich bei meinem Vater als Coach angebiedert, um mehr über mich und meine erwachenden Fähigkeiten zu erfahren. Ja, das machte am meisten Sinn, falls Tim sich nicht doch irrte und die Stimmen nur verwechselt hatte.
    „Und du bist sicher, dass es Jeromes Stimme war?“
    „Ich bin mir ziemlich sicher.“
    Unsere Blicke trafen sich. Tim hatte genau so Tränen in den Augen wie ich. Er gab mir einen sanften Kuss auf die Lippen. Ich küsste ihn zurück und wendete dabei alle Kräfte auf, um meine Tränen zurück zu halten.
    „Schluss jetzt! Wir müssen gehen. Sofort!“, mahnte Atropa. Tim und ich drehten uns zum See und hielten uns gleichzeitig die Ohren. Ihre Stimme klang unerträglich hoch und schrill.
    Die Wasseroberfläche kräuselte sich. Minchin tauchte auf. Direkt vor uns. Ihr langes glänzend weißes Haar floss ihr über die Schultern. Sie lächelte mit ihrem kirschroten Mund. Ihre Augen waren groß, dunkelblau und leuchtend und gegen ihre Figur, die ein lagunengrünes, glitzerndes Kleid umfloss, war Barbie ein Krüppel. Eine perfekte Frau, ausgeschnitten wie aus einem Männertraum.
    Ich wich zur Seite. Minchin schritt an mir vorbei, hatte nur Augen für Tim und nahm ihn bei der Hand.
    „Komm … wir gehen nach Hause. Der Geist dort hat gesagt, es ist so weit. Ich freue mich so!“ Sie zog Tim mit sich. Er warf mir einen letzten Blick zu. Ich wich ihm aus. Er folgte ihr in das tiefe Wasser ohne eine Spur von Angst.
    Als ihnen das Wasser bis zu den Schultern ging, drehte sich Minchin noch einmal geschmeidig um, schaute mich an und säuselte mit ihrer sirenenhaften Sopranstimme
    „Danke, dass du ihn gebracht hast.“
    Dann verschwanden sie im See. Scheinbar hatte sie nicht begriffen, dass ich bis eben noch Tims Freundin gewesen war und nicht nur sein Begleitschutz. Am liebsten wollte ich es ihr hinterher schreien. Aber ich wusste, dass ich Tim damit nur unnötig in Gefahr brachte. Tim war in Sicherheit. Er kam nach draußen. Und ich? Meinetwegen sollten sie meine Fähigkeiten löschen. Sie hatten mir kein Glück gebracht. Und auch meine Erinnerungen. Sie taten nur weh. Ein Taucher hätte sowieso nicht zu mir gepasst, sagte eine weinerliche Stimme in meinem Kopf, die definitiv meine war.
    ***
    „Kira, komm! Sofort! Sie sind im Anmarsch. Sie werden gleich hier sein. Du gehst zurück durch das Wasser. Ich werde dir helfen.“
    Ich schüttelte auf Atropas Betteln hin nur den Kopf, hockte mich in den Klee und registrierte mit Bedauern, dass jedes Blatt vierblättrig war. Das hatte keine Bedeutung. Das war hiermit bewiesen.
    „Kira, du benimmst dich wie ein kleines, dummes Mädchen!!!“, brauste Atropa auf, so dass es noch stärker in den Ohren wehtat als beim ersten Mal.
    „Nichts ist verloren. Alles ist möglich! Reiß dich zusammen, verdammt noch mal und folge mir!“
    Atropa war wieder näher gekommen. Ich sah, wie sich die Nebelschwaden zu einer weiblichen Gestalt ausformten. Hinter mir im Wald wurden Geräusche laut. Irgendjemand war da. Der Rat? Jerome und seine Leute? Eigentlich war mir alles egal. Aber ich wollte nicht hier sitzenbleiben. Die Vorstellung, im Wasser zu ertrinken, war auf einmal doch attraktiver, als in diesem Zustand vor Jerome oder den Rat treten zu müssen. Einfach da hingehen, wo Tim hingegangen war. Ihm nah sein, durch das Wasser. Die Liebste, die starb, weil ihr Liebster nicht mit ihr leben würde, während die Meerjungfrau mit ihm von dannen zog, eine verdrehte Fassung des Märchens. Ich stand auf und lief ins Wasser wie eine, die fest entschlossen war, sich zu ertränken. Ich ging vorwärts bis zu Taille. Es war

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