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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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eiskalt und brachte meine Überlebensgeister in Bewegung. Ich wollte zurück. Doch es ging nicht. Atropa hatte mich mit ihrem Nebel vollständig eingehüllt. Ich rang nach Luft.
    „Es muss sein!“, hörte ich sie sagen. „Sie sind schon am Ufer. Sie sehen dich sonst. Und jetzt tauch‘ unter. Los!“
    „Ich kann nicht!“, versuchte ich mich zu wehren. Aber der Nebel drückte mich unter die Wasseroberfläche.
    „Schwimm!“, kam der Befehl von Atropa.
    Ich ruderte mit den Armen und wollte nach oben. Aber es ging nur vorwärts und tiefer. Ich hielt die Luft an. Meine Lungen drohten zu platzen. Alles, was ich bisher erlebt hatte, war nichts dagegen.
    „Atme!“, kam der nächste Befehl von Atropa.
    Ich hielt weiter die Luft an und ruderte hilflos mit den Armen, um nach oben zu gelangen, aber Blei lag auf meinem Körper. Ich hatte doch der falschen vertraut. Sie brachte mich um!
    Atropa und Tim, für die ich mich entschieden hatte, hatten mich am schlimmsten betrogen!! Ich wollte sofort ans Ufer, zu Jerome.
    Aber es war zu spät. Ich würde ertrinken. Ich konnte die Luft nicht länger anhalten. Ich atmete das Wasser ein … und wieder aus … und wieder ein … und aus … Mein Gott, ich atmete Wasser, als wäre es Luft. Ich wurde kein bisschen ohnmächtig. Es war mehr als verrückt. Es war unglaublich, dass es immer noch verrückter kommen konnte. Meine Bewegungen wurden ruhiger. Ich hatte wieder Sauerstoff. Durch das Wasser. Wasser floss durch meine Lungen und ich fühlte mich gut. Es war unglaublich.
    „Siehst du … du hast es geschafft.“ Ich nahm eine silberschattige Gestalt neben mir wahr. Atropa. Ich lächelte sie an, während wir dahinglitten.
    Die Situation erinnerte mich an meinen Traum, den ich hatte, als die Symptome anfingen. Nur das in diesem Traum nicht Atropa neben mir schwamm, sondern ein Junge … Leo oder Tim. Mir wurde bewusst, dass es einer von beiden war. Dass ich sie beide in meinen Träumen bereits gesehen hatte, bevor ich sie kannte. Und dass ich nicht wusste, wer von beiden in diesen Traum gehörte …
     
    „Siehst du das kleine purpurfarbene Licht vor uns? Da ist der Ausgang. Dort schwimmen wir hin.“
    Meine neue Fähigkeit, das Wasser besiegt zu haben, machte mich euphorisch. Der Gedanke, nach Hause zu kommen verstärkte das Gefühl noch. Ich schwamm auf das Licht zu. Es erinnerte mich an die goldene Abendstimmung im Herbst.
    „Ist das der Himmel von Draußen?“
    „Ja, die Sonne geht gerade unter. Wir benutzen den zweiten Durchgang durch das Wasser. In den Katakomben des Humboldthains suchen sie nach Tim.
    Plötzlich strömten links und rechts Gestalten an uns vorbei. Es waren Undinen. Männer und Frauen. Die Männer waren genau so schön wie die Frauen. Warum hatte sich Minchin nicht einen von ihnen genommen? Ich würde sie immer für die Entscheidung hassen, vor die sie Tim gestellt hatte. Das Wasser erfrischte mich und ich schöpfte neuen Mut. Man konnte keine Liebe erzwingen. Und wenn Tim sie nicht liebte, dann musste es einen Weg geben, ihn trotzdem vor dem Tod zu bewahren. Es gab keinen Grund, dass alle Geschichten immer gleich ausgingen.
    Und wenn er sie doch lieben würde?! Dann hatte das Schicksal etwas anderes mit mir vor, und ich hatte es nur noch nicht begriffen. Hier unten, im Wasser verstand ich, wie dumm es war, wegen Liebeskummer nicht mehr leben zu wollen. Liebeskummer war ein flüchtiges Gefühl, wie alle anderen Gefühle auch. Ich hatte das Wasser besiegt. Jetzt würde mir alles andere ebenfalls gelingen, auch das Besiegen von falschen Gefühlen. Tim war am besten geschützt, wenn er seine Gefühle für mich verlor und ich konnte helfen, es ihm nicht unnötig schwer zu machen.
    Die Undinen sammelten sich vor uns und versperrten den Weg. Zu mindestens versuchten sie es. Von Nahem fiel mir auf, dass einige ihrer Gesichter eingefallen und faltig wirkten.
    Ich versuchte, unbeirrt weiter in das Licht zu schwimmen. Ich war so nah an meinem Ziel, ich würde mich nicht aufhalten lassen. Doch ich hatte keine Chance. Die fließenden Körper der Undinen schmiegten sich eng aneinander. Ihre Gesichter kamen immer näher. Sie bildeten einen undurchdringlichen Wall.
    „Du musst zurück kehren, du hast deine Ausbildung noch nicht abgeschlossen.“ Ihre Stimmen glichen einem Chor leise summender Klingeln. Es machte irgendwie schläfrig.
    „Schwimm einfach weiter, Kira. Sie werden dir ausweichen“, Atropa war ganz nah an meinem Ohr, aber ich sah sie nicht. Ich versuchte,

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