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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Untersuchungen ein beweiskräftiger Schluss damit gelingen. Das lag in der Natur der magischen Welt.
    Ich schlenkerte im Zickzack durch die Luft. Hinter mir splitterte Glas. Ich fühlte mich entsetzlich hilflos und in immenser Gefahr. Gleichzeitig herrschte in meinem Kopf ein atemberaubendes Gedankenkarussell und setzte alles neu zusammen. Schlagartig wurde mir klar: Die magische Welt konnte nur offiziell gemacht werden, indem sie die Menschenwelt beherrschte und teilweise auslöschte. Denn gewöhnliche Menschen würden ihre Vormachtstellung nicht freiwillig an magische Wesen abgeben, deren Existenz nicht wissenschaftlich nachvollziehbar war. Sie würden ihr Weltbild nicht kampflos auf den Kopf stellen lassen, auch wenn ihnen der magische Bund seine Überlegenheit beweisen würde, auch ohne wissenschaftliche Grundlage. Die jetzige Welt würde einfach aufhören zu existieren. Das war der Preis. Das war es, was Atropa meinte. Es ging nicht nur um die Anerkennung einer Minderheit. Es ging darum, die ganze Welt umzukrempeln. Einmal von innen nach außen. War Jerome das nicht bewusst? Oder war es ihm sehr wohl bewusst?
    Plötzlich übernahm irgendwas in mir die Führung, als hätte es den Steuerknüppel in die Hand bekommen, den ich die ganze Zeit verzweifelt suchte. Ich wurde in einen Sturzflug getrieben. Ich jagte wieder auf die Spree zu. Das wollte ich nicht, aber ich hatte keine Chance, den Kurs zu ändern. Wieder an der Friedrichsbrücke angelangt, bog ich nach rechts ab und wurde die Spree entlang geschleudert. Äste zerkratzten mir das Gesicht. Am anderen Ufer kam das Bode-Museum in Sicht. Ich klatschte gegen die Wand eines Fußgängertunnels, der unter den Bahngleisen entlangführte und sackte zusammen.
    Schlagartig hörte das Sausen in meinen Ohren auf und es herrschte Stille. Ich sah an mir herunter, sah meinen Körper in seiner gewohnten Form und spürte unendliche Erleichterung. Ich war wieder ich. Ich wollte einfach liegen bleiben, wenigstens ein paar Minuten, auch wenn ich mir dafür den denkbar ungemütlichsten Ort ausgesucht hatte. Es stank nach Pisse und war ziemlich dunkel. Hoffentlich kamen nicht gleich ein paar unangenehme Gestalten um die Ecke.
    Niemand kam. Da war schon jemand. Aber nicht am Eingang des Tunnels, sondern direkt vor mir. Ich schob mich erschrocken an der kalten, feuchten Wand hoch und stand einer Frau gegenüber.
    Wir starrten uns an. Sie war ungefähr so groß wie ich und auch ungefähr so alt, vielleicht ein bis zwei Jahre älter. Sie trug eine dunkelblaue Bluse, die Arme hochgekrempelt, und blaue Jeans, ihre dunkelbraune Lockenmähne hielt sie mit einem Stirnband aus dem Gesicht. Ich hatte sie schon einmal gesehen und wusste genau, wer sie war. Aber das konnte nicht sein. Das war überhaupt nicht möglich! Ich wollte schon wieder schreien, aber sie hielt mir den Mund zu. Mit einer unerhörten Kraft, gegen die ich sowieso machtlos war.
    „Nicht schreien, ich tu dir nichts. Ich bin es, Atropa.“
    Das war eine Lüge. Vor mir stand nicht Atropa. Vor mir stand Clarissa. Die Frau von den Bildern, die ich von ihr gesehen hatte, mit genau dieser Bluse und genau diesem Stirnband und genau so schön. Die Frau von Alexander, die tot war. Sie war tot, mein Gott!
    „Du bist tot!“, quetschte ich zu meiner Verteidigung zwischen ihren Fingern hervor.
    „Ich weiß …“, sagte sie traurig. Und ich konnte nicht anders, als eins und eins zusammen zu zählen. Atropa war auch tot …
    „Kira, beruhige dich. Alles ist gut. Vertrau mir.“ Sie nahm die Finger von meinem Mund.
    „Das sagst du jedes Mal! Und dann tischst du mir die nächste Lüge auf. Ich hab es so satt! Was willst du von mir? Wohin manipulierst du mich?“
    Ich redete wirres Zeug und wusste es. In Wirklichkeit hatte ich völlig den Faden verloren und konnte keinen klaren Gedanken mehr in meinem Kopf finden. Jerome verehrte Clarissa und Alexander. Atropa war gegen ihn eingestellt. Aber plötzlich war Atropa Clarissa.
    „Wo ist Atropa? Was hast du mit ihr getan?“, fauchte ich sie an und wunderte mich gleichzeitig, dass ich kein bisschen Angst verspürte. Immerhin stand die gefürchtete Clarissa vor mir. Allerdings wirkte Clarissa gerade nicht so, als müsste man sich vor ihr fürchten. Eher sah ihr Gesicht aus, als hätte sie Trost nötig. Sie hockte sich neben mich, als wären wir Schulfreundinnen.
    „Ich bin es ja, Atropa. Und du ahnst nicht, wie sehr ich mir wünschte, alles wäre anders und wir würden uns unter ganz

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