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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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zweite Clarissa werden. Ich will die Welt nicht beherrschen. Ihre Lehren waren falsch, egoistisch und tödlich. Sie selbst …“ Ich war drauf und dran, davon zu erzählen, dass ich mit ihrem Geist befreundet war, einfach, um zu schockieren und damit Zeit zu gewinnen, aber im selben Moment sah ich sie.
    Clarissa war hier. Sie stand hinter Jerome und allen anderen. Sie verschwamm ein wenig mit der Wand, aber ich konnte sie gut sehen. Sie schüttelte heftig den Kopf. Ich sollte auf keinen Fall etwas sagen. Ihr Gesicht war voller Sorge. Natürlich, ich hatte ja auch alles vermasselt. Es tat mir leid. Nicht wegen mir, sondern wegen Clarissa. Ich hatte sie enttäuscht.
    „Sag ihr die Wahrheit“, meldete sich Gregor auf einmal an Jerome gewandt.
    „Sie hat ein Recht darauf. Sie soll wissen, dass ich nicht der egoistische Vater bin, für den sie mich hält.“
    Das Wort Vater betonte er seltsam verächtlich, als wenn er damit ebenfalls nichts anfangen konnte.
    „Nein, Gregor …“, Jerome flehte Gregor nahezu an. Ich schaute von einem zum andern. Was kam jetzt? Irgendwas, was mich noch schocken konnte? Gregor sog tief Luft ein, richtete sich an der Wand auf und fixierte mich mit seinem stahlharten Geschäftsblick. Jerome fuchtelte mit seinen Armen in der Luft, als könnte er Gregors Worte damit noch verhindern.
    „Ich bin nicht dein leiblicher Vater. Ich habe dich zu mir genommen und dich groß gezogen, weil deine Eltern gestorben sind. So sieht es aus. Und ich hoffe, damit geht’s dir jetzt besser.“
    Sein Blick ruhte unerbittlich auf mir. Er war verletzt und wollte mir wehtun. Das war klar. Aber mit was für einem Schwachsinn? Jerome senkte geschlagen den Blick. Gregor sog erneut viel Luft ein und fuhr sich mit den Händen über den Kopf. Nein, es war kein Schwachsinn. Er sagte die Wahrheit. Die ganze Atmosphäre im Raum schrie mir zu, dass es die Wahrheit war und nichts als die Wahrheit. Weil deine Eltern gestorben sind , dieser Satzfetzen hallte wieder und wieder in meinem Kopf. Ich stand da, wie zu Eis erstarrt und konnte mich nicht rühren. Ich gehörte nicht hierher. Irgendwas tief in mir hatte es schon immer gewusst. Weil deine Eltern gestorben sind … Nicht nur Gregor war nicht mein Vater. Auch Delia …
    Gregor fuhr fort:
    „Jerome hat dich zu mir gebracht. Wir sind alte Schulfreunde. Er hat dich gerettet, damals, als sie Alexander und Clarissa gejagt und getötet haben. Du wärst den Anhängern der magischen Akademie sonst genauso zum Opfer gefallen. Du bist das Kind von Alexander und Clarissa, mit den Zeichen mehrerer Elemente, schon bei der Geburt. Du trägst ihre Kraft in dir. Du wirst ihr Werk zu Ende führen. Du wirst dein Schicksal erfüllen. Das ist dein Weg. Der Rat hätte dich nicht überleben lassen. Doch sie haben nichts von dir erfahren. Niemand, außer ich und die Mitglieder des magischen Geheimbundes wissen, wer deine wahren Eltern sind. Nicht mal Delia. Und jetzt geh mit Jerome. Und vergiss nicht, dass ich trotz allem dein Vater bin, der es gut gemeint hat mit dir.“
    Meine Muskeln wollten mir nicht mehr gehorchen. Jede Struktur schien sich in mir aufzulösen. Es war, als hätten alle Naturgesetze plötzlich keine Gültigkeit mehr. Ich wandte mich von Gregor ab. Jerome und Leo verschwammen vor mir. Ich blickte über ihre Köpfe hinweg, zu Clarissa, die hinter ihnen an der Wand stand. Sie war vollständig materialisiert. Ich musste die Worte mit Gewalt aus mir herausziehen. Sie schienen mit schweren Magneten am Boden meines Seins festzukleben. Ich flehte sie an:
    „Das … ist … nicht … wahr!“
    Clarissas Gesicht war schmerzverzerrt. Und ich sah Tränen. Tränen bei einem Geist.
    „Doch“, antwortete sie. „Es ist wahr.“
    Alle folgten meinem Blick. Neve konnte Clarissa sehen. Das wusste ich bereits. Jerome, Leo und Igor hörten sie, aber sie sahen sie nicht. Das war eindeutig. Gregor glotzte verständnislos auf die Wand.
    „Clarissa. Ihr Geist. Er ist hier“, übersetzte Jerome für Gregor, ohne aufzuhören, an der Stelle ins Leere zu starren, wo ihre Stimme herkam.
    ***
    In allen Gesichtern las ich Ehrfurcht, selbst in dem von Gregor, obwohl er sie nicht wahrnahm. Er hatte Clarissa damals kennen gelernt, keine Frage. Sie waren alle mit ihr vertraut. Ich fühlte nichts mehr. Ich war völlig abgekoppelt von meinen Gefühlen. Ich war eine reine Beobachterin, die das alles nichts anging. Irgendjemand im Raum hatte plötzlich andere Eltern.
    Clarissa tat ein paar Schritte in

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