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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Säulen getragen, in denen sich kleine blaue Fische tummelten. Der Fußboden bestand aus flauschigem weißen Teppichbelag, bei dem ich nie begreifen würde, wie es dem Reinigungspersonal gelang, ihn immer wie neu aussehen zu lassen. Mitarbeiter, die sich lautlos durch den Raum bewegten, nickten mir freundlich zu.
    Ich steuerte auf Gregors Büro zu. Hinter dem Empfang im Vorraum schien niemand zu sein. Als ich näher kam, entdeckte ich sie dann doch. Frau Meyer, eine recht unscheinbare, leicht vertrocknet wirkende Frau Mitte vierzig, saß leise fluchend über eine Schublade gebeugt und hantierte mit einer Nagelschere. Sie hatte sich augenscheinlich einen ihrer superlangen Fingernägel, die gar nicht zu ihr passten, eingerissen. Erst wollte ich sie begrüßen, dann entschloss ich mich, einfach an ihr vorbei zu schleichen. Ich wollte Gregor an seinem Schreibtisch überraschen, wenn er aus seinem Konferenzsaal zurück in sein Arbeitszimmer kommen würde – ein folgenschwerer Fehler.
    Frau Meyer merkte nicht, wie ich die schallgedämpfte Tür ohne jedes Geräusch öffnete und wieder schloss. Das Arbeitszimmer, ein in lagunengrün gehaltener Raum, ausgestattet mit futuristischen weißen Möbeln, einem riesigen Monitor, einer Leinwand und einem grandiosen Blick über die Stadt, war wie erwartet leer. Allerdings stand die Flügeltür zum Konferenzraum offen. Ich setzte mich hinter Gregors Schreibtisch und hatte umgehend das Gefühl, dass dieser Platz, in dieser Umgebung und mit dieser Aussicht auf das Brandenburger Tor, den Reichstag und den Tiergarten die eigene Bedeutung und das Selbstbewusstsein im Handumdrehen verzehnfachte. Der Bildschirmschoner bildete immer wieder neue Muster von Wasserkristallen ab. Auf dem Schreibtisch lag eine Broschüre über die erste große Wasseraufbereitungsanlage von H2Optimal. Ich begann darin zu blättern. Ich wunderte mich allerdings, dass aus dem Konferenzraum keine Stimmen zu hören waren. Vielleicht sollte ich doch mal nachsehen, ob mein Vater überhaupt hier war?! Eine Besprechung konnte auch in einem Mitarbeiterbüro stattfinden. Die Broschüre in der Hand spähte ich in den großen Raum nebenan … und war von dem, was ich zu sehen bekam hypnotisiert wie der Hase im Lichtkegel. Ich wollte fliehen, aber ich konnte den Blick nicht lösen. Ich stand wie versteinert da und beobachtete, wie sich mein Vater in den Hals einer extrem jungen Asiatin zu verbeißen schien, während sie ihre Hände in seinen Nacken krallte. Er stand mit dem Rücken zu mir, während sie vor ihm auf dem Tisch saß und begann, leise Laute von sich zu geben. Ich wollte schreien. Mir lagen die schlimmsten Beschimpfungen auf den Lippen, doch dann besann ich mich, trat den unbemerkten Rückzug an und flüchtete aus dem Büro. Frau Meyer starrte mich entsetzt an, als sie mich aus dem Zimmer meines Vaters hasten sah. Ihr Blick sagte alles. Sie wusste Bescheid. Sie riss ihre Hand mit dem inzwischen abgeschnittenen Fingernagel vor ihren Mund, um einen hochfrequenten Laut zu unterdrücken. Ich wusste, was sie jetzt dachte. Sie hatte versagt, meinen Vater nicht geschützt. Vor meinen Augen schrumpfte sie zusammen zu einem bedauernswerten NICHTS. Ihr Blick verriet, dass ihr das klar war. Immerhin erlebte nicht nur ich einen der schaurigsten Tage meines Lebens, auch wenn das nur ein sehr kleiner Trost war.
    Ich zwängte mich gerade noch rechtzeitig in den sich schließenden Fahrstuhl, in dem drei Japaner standen, als wären sie ausgestopft. Unten angekommen verabschiedete sich die Chinesin vom Empfang mit einem liebenswürdigen Lächeln. Ich reagierte nicht auf sie. Langsam wie ein Automat verließ ich das Haus und funktionierte einfach nur weiter, indem ich einen Schritt vor den anderen setzte. In meinem Kopf herrschte völlige Leere. Meine Welt hatte aufgehört zu existieren. Einfach nur einen Schritt vor den Anderen. Weiter konnte ich nicht mehr denken …
     
    Als ich vor unserem Haus ankam, war es bereits dunkel. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ich musste ewig gebraucht haben. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich meine Hand immer noch um die Broschüre krallte. Es tat regelrecht weh, die Umklammerung meiner Finger zu lösen, als hinge von H2Optimal mein Leben ab, dabei hatte der Laden gerade meine Welt zusammenbrechen lassen und das auf eine Art, mit der auch ein Tim nicht gerechnet hatte. Ich stand eine Weile vor unserem Haus mit dem lähmenden Gefühl, nirgends wohin zu gehören. Ich wusste nicht mehr, wann und

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