Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
Vom Netzwerk:
führen, auf Empfängen glänzen und in der Zeitung erscheinen, aber sie hatte sich nie beschwert, wie spät mein Vater nach Hause kam oder wie oft beziehungsweise plötzlich er auf Dienstreise fuhr. Oh Mann, ja, Luisa hatte wohl recht. Das Schlimmste war, dass ich keine Familie hatte, wie ich sie mir eigentlich wünschte. Ich wusste das schon lange. Nur heute war ich auf die schrecklichste Weise daran erinnert worden. Aber es brachte nichts, unter etwas zu leiden, was einfach nicht zu ändern war. Ich tippte die Nummer ein und drückte auf Wählen.
    Nach zweimal Klingeln hörte ich die Stimme von Frau Meyer am anderen Ende:
    „Meyer?“
    „Guten Abend, Kira Wende hier!“ Erst Schweigen. Ich hatte Angst, sie würde auflegen. Dann aber sagte sie:
    „Ach, Kira, Fräulein Wende, ich …“
    „Sie wissen also Bescheid …“
    „Ich …“
    „Ich will nur wissen, ob sie meinem Vater von meinem Besuch erzählt haben.“
    „Nein, natürlich nicht, ich ...“
    „… Sie haben aber Angst, dass ich es tue.“
    Ich glaubte, ein Schluchzen zu hören.
    „Oh Gott, das heißt, Sie haben ihm noch nicht ...?“ In ihrer Stimme schwang Hoffnung mit. Wahrscheinlich erlebte sie wirklich ihren schwärzesten Abend seit langem und packte in Gedanken bereits immer wieder die Habseligkeiten an ihrem Arbeitstisch.
    „Nein …“
    Sie atmete tief durch. Die aufkeimende Hoffnung verlangte viel Luft. Ich empfand Verachtung und Mitleid zugleich.
    „Ich kann Ihnen Geld geben, das ist überhaupt kein Problem … Wir werden uns bestimmt einig. Wir könnten …“
    „Ich will kein Geld …“, unterbrach ich sie.
    „Was dann?“ Ihre Antwort kam unsicher.
    „Ich will Informationen über H2Optimal, aber nicht das, was alle wissen. Keine Werbung oder Broschüren oder so was. Sondern Genaueres. Unterlagen über den Aufbau und die Funktionsweise der Kläranlage, Vertragspartner … solche Dinge …“
    „Oh, da gibt es viel, einen ganzen Raum voller Akten.“
    „Das weiß ich …“ In Wirklichkeit hatte ich natürlich keinen blassen Schimmer. „Ich werde sie konkret nach dem einen oder anderen fragen.“
    „Ja ...“
    „Heißt das, wir sind uns einig?“
    „Ja, aber wozu ...!“
    Auf ihre Frage ging ich nicht ein.
    „Ich ruf Sie wieder an.“ Sie sagte nichts.
     „Und, noch was … Kein Wort zu meinem Vater!“
    „Natürlich … Darauf können Sie sich verlassen.“
    „Das möchte ich meinen. Auf Wiedersehen!“ Und dann legte ich auf und atmete aus, als hätte mich vorher jemand aufgeblasen wie einen Luftballon.
    „Das hast du perfekt gemacht … wie ein echter Profi!“ Luisa grinste mich an. In ihrem Blick lag so etwas wie Bewunderung. Ich staunte selber, wie ich das hinbekommen hatte. Diverse Krimiszenen aus Filmen waren mir wohl ins Blut übergegangen. Ich fühlte mich unendlich besser als noch vor einer Stunde.
    „Oh Mann, das war wirklich wie im Film. Ich sag dir, einen Schiss hatte die!“
    „Ja, das muss sie auch!“ Luisas Augen blitzten. Von wegen brav, ich entdeckte eine völlig neue Seite an ihr.
    „Und nun lass uns selber noch ein bisschen googeln, was über H2Optimal so geschrieben wird, damit du in Zukunft nicht mehr blöd vor Tim dastehst.“
    Ja, das war eine gute Idee. Wir fanden heraus, dass H2Optimal in der Wiederaufbereitung tatsächlich den Weltrekord hielt, was Tempo, Menge und Qualität des gereinigten Wassers betraf. Es gab begeisterte Stimmen – aber auch Zweifler, die dieselben Fragen stellten wie Tim. Wir fanden den Artikel vom BerlinAgent. In ihm wurde kurz das Prinzip erklärt, soweit es klar war: Die quantenmechanischen Prozesse, mit denen das Verfahren funktionierte, bewegten sich auf atomarer Ebene. Aber dass sie für zig Tausende Kubikmeter Wasser funktionieren sollten, war mehr als unwahrscheinlich, schrieben sie. Eine richtige Erklärung, wie es Gregor gelang, verschmutztes Wasser zu reinigen und aus Spree und Havel Trinwasserflüsse werden zu lassen – ohne Rückstände, ohne Verschleiß, ohne alles – war aus H2Optimal nicht herauszukriegen. Aber man würde an der Thematik dranbleiben. Damit wussten wir noch nicht viel mehr als vorher, aber dafür würde Frau Meyer ja nun sorgen. Luisa schaltete das Laptop aus. Ich hätte gern noch mal nach Atropa geschaut, ob sie wieder „On“ war, aber ich wusste, dass das Luisas Missbilligung finden würde, also ließ ich es bleiben. Wir kuschelten uns in Luisas kleine gemütliche Liegelandschaft. Auf einmal spürte ich, wie todmüde ich

Weitere Kostenlose Bücher