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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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warum ich dann doch in den Fahrstuhl gestiegen war und wie ich den Schlüssel in die Tür gesteckt und herumgedreht hatte. Ich wusste nur noch, wie Delia sich im Wohnzimmer vom Sofa erhob, das Gesicht komplett weiß eingeschmiert und mit Gurkenscheiben belegt. Unmittelbar bevor sich meine Erinnerung ausschaltete, verschwamm sie vor mir wie eine grässliche Maske aus einem Horrorfilm …
     
     
    Erst der stechende Schmerz und das Blut, das mir den Arm hinab lief, brachten mich wieder zur Besinnung. Ich stand in meinem Badezimmer und hatte den Spiegel zertrümmert. Das Blut quoll aus einer tiefen Schnittwunde in meiner Handfläche. Schnell wickelte ich mir ein Handtuch um meine Hand und drückte es auf die Wunde. Mein Zimmer sah aus, als hätte darin ein Orkan gewütet. Mein Laptop lag in Einzelteilen verstreut auf dem Fußboden. Der große gläserne Schirm der Deckenbeleuchtung war zertrümmert und ruhte in tausend kleinen Scherben auf dem Bett. Ich hatte alle Bücher und Gegenstände aus den Regalen gerissen.
    Vor mir stand Delia und machte ein entsetztes Gesicht, was umso entsetzlicher aussah, weil sie die Gurkenmaske mit den Ärmeln des Bademantels abgewischt hatte. Sie schaute mich völlig verständnislos an. Gleichzeitig sprachen Angst und Hilflosigkeit aus ihrer gesamten Haltung. Was hatte ich nur angerichtet? Delia wimmerte.
    “Was ist los mit dir, Kira?“
    Ich nahm sie in den Arm wie ein kleines Kind:
    „Es tut mir so leid … so leid …“
    Delia wiederholte sich:
    “Was ist denn nur mit dir, Kira?“
    Ich wusste es selbst nicht. Ich hatte einen Filmriss. Ich konnte mich nicht erinnern, wie ich das ganze Chaos verursacht hatte. Immerhin Gregor … mein Vater … Gregor … Herr Wende schien noch nicht nach Hause gekommen zu sein. Das war gut. Ich musste hier raus. Ich fühlte mich wie ein Soldat auf der Flucht, der von einem Feindeslager in das nächste stolperte. Was für ein schwarzer Tag. Ich schnappte mir meine Tasche und schüttelte einige Scherben von meiner Strickjacke. Delia zitterte.
    „Wo willst du denn hin?“
    Ich war ihr eine Erklärung schuldig, aber ich konnte nicht. Ich konnte sie nur schützen, indem sie nichts erfuhr. Dafür musste ich verschwinden.
    „Ich schlaf heute bei Luisa.“
    Ich ging an ihr vorbei. Mein Benehmen musste sehr kalt auf sie wirken, aber ich wusste keine bessere Lösung. Sie unternahm einen kläglichen Versuch mich zurückzuhalten, aber es war nur eine symbolische Geste, von der sie selbst nicht überzeugt schien. Sie wusste, dass sie machtlos war.
    „Kira! “, rief sie mir hinterher.
    „Es tut mir leid, Mama … ich kann es nicht sofort erklären. Ich kann nicht …“
    Sie war jetzt still. „Mama“ hatte ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr zu ihr gesagt. Ich weiß nicht, warum es mir herausgerutscht war. Damit hatte ich es hoffentlich nicht noch schlimmer gemacht.
    ***
    Die heimelige Atmosphäre in Luisas Familie beruhigte mich, auch wenn sie mich gleichzeitig wehmütig machte. Wir saßen in der gemütlichen kleinen Küche mit Blick auf den Hof. Luisas Mutter verband mir die Wunde. Es hatte unterwegs aufgehört zu bluten. Der Schnitt war zum Glück nicht so tief, wie ich dachte.
    „Warst du denn in Lichtenberg heute?“, wollte Luisa wissen.
    „Wär ich dorthin gefahren, wäre das sicher alles nicht passiert.“
    Ihr Vater kam nach Hause, gab seinen beiden Frauen einen Kuss und mir einen Handschlag.
    „Hey, Kira!“, begrüßte er mich fröhlich. Dann forschte er in meinen Augen und sah meinen frischen Verband, während Luisas Mutter Mullreste in den Mülleimer warf.
    „Oh, oh … das sieht nach Stress aus … Wenn ihr irgendwie meine Hilfe braucht, ich bin jetzt da.“ Er lächelte und begab sich ins Wohnzimmer. Es irritierte mich immer wieder, dass es Väter gab, die so völlig anders waren als meiner, fürsorglich und ohne den Zwang, immerzu besonders männlich wirken zu müssen.
    Luisa balancierte zwei große Tassen Kakao und eine Büchse Kekse in ihr Zimmer. Wir setzten uns im Schneidersitz gegenüber auf ihren mit bunten Decken und Kissen bestückten Podest und wärmten uns am Kakao. Bei Luisa war es nie so saunawarm wie bei uns zuhause und ich hatte mich schon öfter gefragt, ob man nicht auch in solchen Dingen konsequent sein sollte, wenn man sich groß UMWELTSCHUTZ auf die Fahnen schrieb.
    „Also, was ist passiert?“, fragte sie mich.
    „Was willst du zuerst wissen, das Schlimmste oder das Zweitschlimmste?“
    Dabei griff ich mir den

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