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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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während ich mir die Schulter rieb. Sie warf nur einen kurzen irritierten Blick auf meine nackten Füße, murmelte ein „Danke“ und dann verschwand sie im Hinterhof.
    Von irgendwelchen rauchigen schwarzen Schatten war plötzlich keine Spur mehr. Ich machte, dass ich auf die Straße kam. Diesmal war es definitiv keine Einbildung. Etwas ging vor sich und es war verdammt real. Ich konnte nicht zu Luisa, weil sie mir nicht glauben würde und ich konnte nicht nach Hause, weil dort das Falke-Problem auf mich wartete. Und allein sein durfte ich auch nicht, weil ich in akuter Gefahr steckte. Ich spürte es mit jeder Faser. Ich musste zu Atropa. SOFORT! Was sollte mir im Bunker noch schlimmeres passieren, jetzt, da jede Alternative keine mehr war und nur eine größere Katastrophe bedeuten konnte?! Atropa hatte alles vorher gewusst und mich gewarnt, es konnte nicht anders sein, sie wollte mich schützen. Nur sie konnte mir sagen, was vor sich ging, bevor alle anderen vielleicht das Falsche mit mir taten: Entweder die Schatten kriegen dich oder du fristest den Rest deines Lebens in einer Anstalt , hatte sie mir prophezeit.
    Dankbar betrachtete ich die Menschen, die an mir vorbeiliefen, weil ihre Anwesenheit mich rettete, auch wenn sie mich ihrerseits mit einer Mischung aus Neugier und Abscheu musterten. Klar, ich sah aus wie eine Geisteskranke. Der Niesel vom Morgen war in einen Dauerregen übergegangen. Ich lief los, ohne auf die vielen Pfützen zu achten. Ich kannte den Weg zum Bunker nur so ungefähr, aber ich würde ihn schon finden, auch wenn ich bis dahin bestimmt erfrorene Füße hatte. Noch einmal erwog ich, mir wenigstens was Vernünftiges zum Anziehen und eine Taschenlampe zu holen. Aber es war zu riskant. Wenn Delia und Gregor mich bemerkten, würden sie mich nicht wieder gehen lassen. Gleichzeitig war die Angst, niemanden zu Hause anzutreffen und allein zu sein, sogar noch größer.
    Die Entscheidung wurde mir abgenommen, es kam viel schlimmer …
     
    Als ich die Bernauer Straße noch vor einem mit Blaulicht und voller Geschwindigkeit heranrasenden Polizeiwagen überqueren wollte, es aber nicht mehr schaffte, war meine Flucht bereits beendet. Die Reifen quietschten. Das Auto schnitt mir den Weg ab. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis mir klar wurde, dass sie genau MICH suchten. Erst leugnete ich meinen Namen, aber sie wussten detailliert über meine Kleidung Bescheid. Tim hatte also die Polizei gerufen. Anders konnte ich mir das nicht erklären. Ich hasste ihn aus tiefster Seele, während die Bullen mir Handschellen anlegten und mich auf die Hintersitze schubsten. Warum tat er mir das an? Irgendwo war mir natürlich klar, dass er nicht im Traum ahnte, was vor sich ging und dass er mich sicher davor bewahren wollte, die nächste Dummheit zu begehen. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich immer noch zwischen den Mülltonnen gehockt. Andererseits, die Dinge hatten sich entwickelt. Wahrscheinlich stufte er mich inzwischen als gefährlich ein.
    ***
    Was mich Zuhause erwartete, toppte die Leistung meiner Vorstellungskraft. Ich wurde nicht nur von Delia empfangen oder von einem tobenden Gregor. In der Wohnküche befanden sich auch Herr Schmitt, unser Schuldirektor und ein Mann, Anfang siebzig, der mir irgendwie bekannt vorkam, auch wenn ich ihn partout nicht zuordnen konnte. An den leeren Kaffetassen auf dem Esstisch sah ich, dass sie schon eine Weile auf mich gewartet hatten. Meiner Kehle entstieg ein tiefes, gefährliches Donnergrollen. Alle brauchten einen Moment um zu realisieren, woher das bedrohliche Geräusch kam, ich selbst eingeschlossen
    Dann entfuhr Delia ein hoher Ton des Entsetzens.
    „Oh mein Gott … Kind!“
    Das Geräusch war aus meinem Innern gekommen. Ich presste die Lippen aufeinander und hielt meinen Blick gesenkt. Ich konnte sie nicht ansehen, niemanden. Mein Vater saß etwas abseits auf dem Sofa und faltete mit lautem Geräusch eine Zeitung zusammen. Seine Wut lag so dick in der Luft, dass man sie mit einem Messer schneiden konnte.
    Ich kam mir vor wie eine Schwerverbrecherin, dabei war ich doch selbst das Opfer. Ich wusste, dass ich ein erschreckendes Bild abgeben musste. Ich hatte vor meinem eigenen Gewittergrollen Angst, aber es kam vielleicht vom Magen. Oh ja, ich spürte wie sich die Magenwände aneinander rieben. Ich riss an meinen Handschellen. Die Polizisten übergaben meiner Mutter die Schlüssel dafür und verabschiedeten sich. Aber sie ließen mich stehen, wie ich war. Irgendwie

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