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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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ein Schmunzeln unterdrücken. Ich hatte Angst vor Jolly, aber gleichzeitig begann ich, ihn zu respektieren. Er wandte sich wieder an mich:
    „Atropa … warum hast du dich mit ihr getroffen?“ Jolly nahm das Verhör wieder auf.
    „Wegen des Rollenspiels“, wiederholte ich. Meine Stimme klang unsicher. Jolly durchbohrte mich mit seinen unerbittlichen Augen. Er glaubte mir nicht.
    „Das ist nicht alles. Rollenspieler im Internet treffen sich nicht einfach so“, stellte er mit einem Ton fest, der keinen Widerspruch zuließ.
    Jolly war mindestens siebzig, aber er kannte sich aus. Jetzt wurde es unangenehm. Sollte ich die Wahrheit sagen? Es klang so absurd. Andererseits, das hier war ein Ort, an dem seltsame Sachen normal waren. So viel hatte ich schon verstanden.
    „Mir ging es nicht gut, schon eine Weile nicht. Sie wusste das. Sie wollte mir helfen. Sie sagte, sie wäre die einzige, die mir helfen könnte.“
    „Fieber, Ängste, Schweißausbrüche?“, fragte Jolly.
    „Ja!“
    „Noch was?“
    „So, Kräfte …“
    „Was für Kräfte?“
    „Ich habe meinen Sportlehrer zwei Meter weit geschleudert, obwohl ich ihn nur von meiner Freundin wegschubsen wollte … Und ich kann besser sehen und hören als früher … Und bei einem Freund, da …“ Wie sollte ich erklären, dass wir uns küssten und plötzlich das Bett in Flammen stand? Mir schoss Röte ins Gesicht.
    „Also, wir …“
    Jerome unterbrach mich, wofür ich ihm dankbar war, und stellte die nächste Frage:
    „Unbekannte Essgelüste?“
    „Jerome. Ich weiß, dass du es liebst, Mentor zu sein und immer auf Neuankömmlinge hoffst, die Symptome des Elements Erde aufzeigen. Aber sie ist durchs Wasser gekommen“, ermahnte Sulannia ihn.
    „Allerdings nicht wie jemand, der Element Wasser ist …“, erwiderte Jerome.
    Jetzt unterbrach ich Jerome, um neu aufkommenden Streit zu verhindern. Irgendwie war ich auf seiner Seite. Aber vor allem wollte ich Jolly von seinem Kurs abbringen, damit ich die Geschichte mit Tim nicht erzählen musste.
    „Enorme Essgelüste, ja. Seit einigen Wochen esse ich Unmengen, vor allem Fleisch, obwohl ich Fleisch so gut wie nie esse … Sogar roh …“
    Sulannia machte große Augen. Kim verzog das Gesicht. Jerome schmunzelte.
    „Okay, das ist eindeutig“, sagte er.
    „Nichts ist eindeutig“, widersprach Jolly.
    „Sie isst rohes Fleisch, aber sie ist durchs Wasser gekommen“, fasste er zusammen.
    „Was war bei deinem Freund?“ Jolly ließ sich nicht so einfach von seinem Kurs abbringen. Ich hätte es mir denken können.
    „Wir hatten uns Kaffee gemacht. Und saßen auf seinem Bett. Plötzlich fing es an zu brennen …“
    „Ha, Feuer! Sie wird MEIN Lehrling!“, frohlockte Ranja mit einem ironischen Unterton. Jerome warf Ranja einen vernichtenden Blick zu. Mochten sich die beiden etwa nicht?! Dann sah er mich zweifelnd an. Jolly fragte sachlich weiter.
    „Hattet ihr Zigaretten?“ Ich wollte heftig verneinen, aber ich sah, wie Jerome mich fixierte und unmerklich nickte. Ich vertraute ihm. Er gab mir ein gutes Gefühl und ich sagte: „Ja.“
    „Was war dann seltsam an dem Erlebnis?“
    Dazu fiel mir zum Glück sofort was ein:
    „Ich nahm sein hundert Liter-Aquarium, hob es hoch, als wäre es eine leere Pappschachtel und löschte die Flammen.“
    „Starke Kräfte – Erde“, analysierte Kim. Jerome nickte zustimmend.
    „Ihr habt die Kokelei erst bemerkt, als das Bett in Flammen stand?“ Jolly blieb misstrauisch. Jerome seufzte laut vernehmlich.
    „Jolly! Du warst auch mal jung. Da gibt es Situationen im Leben, wo man die Umwelt auch mal eine Weile ausblendet. Schon vergessen?“
    Jolly brummelte. Ich war Jerome erneut dankbar, auch wenn mir das Gespräch jetzt äußerst peinlich war.
    „Sonst noch Vorkommnisse, die dir seltsam vorkamen?“, wollte Jerome weiter wissen.
    Das Unheimlichste hatte ich noch nicht erwähnt. Sollte ich? Sie würden mich für verrückt halten. Ranja bemerkte mein Zögern.
    „Erzähl einfach alles, auch wenn es verrückt klingt. Hier hält dich niemand für wahnsinnig und überlegt, dich in eine Klapse zu stecken. Das passiert nämlich einigen, bevor sie es schaffen, hierher zu kommen. Manche schaffen es nie, weil sie für selbstmordgefährdet gelten und den Rest ihres Lebens hinter Gittern verschwinden, weißt du.“
    Ranjas Worte brachten den Knoten zum Platzen. Eine Welle von Schmerz aus den Verletzungen, die man mir angetan hatte, erfasste mich. Tränen liefen mir übers

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