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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Geschichte … kurz und knapp.“ Er hatte einen gewissen Befehlston an sich und fixierte mich mit seinen schwarzen durchdringenden Mandelaugen. Er war kein Mann der vielen Worte. Das war gleich klar.
    „Ich …“, meine Stimme versagte. Ich dachte wieder an die Abitur-Prüfung. Ich hatte Angst davor, besonders vor dem mündlichen Teil. Aber das kam mir auf einmal lächerlich vor im Gegensatz zu meiner jetzigen Situation. Konnte ich hier irgendwas falsch machen? Ich wusste es nicht. Ich hatte nur eine Möglichkeit: einfach zu erzählen, was geschehen war. Auch wenn davon mein weiteres Schicksal abhing.
    Ranja lächelte mir aufmunternd zu. Ich fixierte das kleine blaue Feuer vor mir, um den anderen Augenpaaren nicht zu begegnen.
    „Ich war auf dem See. Er war ganz klein und ruhig. Ich hatte es mit dem Boot fast bis rüber geschafft, aber dann kamen Wellen auf … und rissen mir das Ruder weg … und …“
    „Wo!“, fuhr Jolly dazwischen. Ich zuckte zusammen.
    „Im Humboldthain, also im Berg, in der Kanalisation, an einem unterirdischen See.“
    „Wann!“
    „Gestern … glaub ich.“
    „Das ist klar … Uhrzeit!“
    „Es war … kurz vor Mitternacht.“
    „Was hattest du dort zu suchen?“ Jollys Fragen kamen wie Wurfgeschosse.
    „Ich … war verabredet.“
    „Verabredet … in der Kanalisation … um Mitternacht … Blödsinn. Sag die Wahrheit!“ Jolly sah mich streng an.
    „Das ist die Wahrheit!“, gab ich mit zittriger Stimme zurück. Jolly machte mir Angst. Konnte nicht ein anderer die Fragen stellen? Ranja legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm. Jerome kam mir zu Hilfe und bat mich mit seiner angenehmen, beruhigend menschlich klingenden Stimme:
    „Okay, Kira, du warst verabredet. Erzähl‘ uns einfach mit wem und warum an so einem unbequemen Ort … okay?!“
    Ich nickte und atmete tief durch.
    „Mit einer Freundin aus dem Internet. Wir wollten uns zum ersten Mal treffen. Sie hatte den Ort vorgeschlagen. Er gehört zu einem Rollenspiel.“
    Das mit dem Rollenspiel fiel mir spontan ein, damit der Treffpunkt nicht so absurd klang. Ich wollte nicht wieder für verrückt gehalten werden.
    „Name!“, donnerte Jolly wieder. Er sah das Verhör wohl als seine Aufgabe an und ließ sich von Jerome nicht aus dem Konzept bringen.
    „Atropa heißt sie … sie war auf der anderen Seite des Sees, in dem Wärterhäuschen, aber dann ist das mit dem Boot passiert … Irgendwas glitt unter mir dahin … und dann kam das Wasser in Bewegung. In der Mitte bildete sich ein Strudel.“ Die Erinnerung brachte meine Todesangst zurück. Meine Hände fingen an zu zittern. Alle sahen es.
    „Was ist passiert?“, fragte Ranja mit einfühlsamer Stimme.
    „Mir wurde das Ruder weggerissen, dann kenterte das Boot und dann wurde ich in die Tiefe gezogen …“
    Ich zitterte am ganzen Körper. Ranja hockte sich vor mich hin und nahm meine Hände in ihre. Sie waren ganz warm.
    „Eine Undine“, stellte Jolly fest.
    „Das kann nicht sein!“, schaltete sich Sulannja ein und strich ihre langen blauschwarzen Haare über die Schulter. „Sie ziehen nicht einfach jemanden in die Tiefe, der in einem Boot sitzt.“
    „Trotzdem war es eine Undine. Ich glaube nicht, dass sie sich den Schatten im Wasser ausgedacht hat.“ Ich war ein bisschen erleichtert. Jolly glaubte mir.
    „Nein, habe ich nicht“, bekräftigte ich noch einmal.
    Kim, die bisher noch gar nichts gesagt hatte, meldete sich zu Wort: „Sulannia, die Undinen, die die Grenzen zur magischen Welt schützen, waren immer friedlich. Aber seit einiger Zeit sind die magischen Wasser aus dem Gleichgewicht. Es gibt erste Krankheitsfälle. Wir wissen nicht, was passiert. Die Undinen sind in Aufruhr. Vielleicht kann man ihnen nicht mehr vertrauen.“
    „Kim, du solltest es mir überlassen, einzuschätzen, ob man den Undinen an den Durchgängen vertrauen kann oder nicht. Die Undinen bringen die Neuankömmlinge, die sich selbstständig in das Wasser gestürzt haben und sie bringen die Toten, die sich in den magischen Durchgängen verirrten. Aber sie reißen niemanden einfach aus einem Boot!“, gab Sulannia zurück.
    „Augenscheinlich doch!“, beharrte Kim. Ich merkte, dass es sich um eine längere Streitigkeit handeln musste, die die beiden austrugen.
    Jolly erhob sich und ging dazwischen.
    „Bringt Beweise, aber hört auf, euch aufgrund reiner Spekulationen zu streiten. Ihr gehört zum Rat der Akademie und nicht zu irgendeiner Klassensprecher-Runde.“ Ich musste

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