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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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lachte.
    „Nein, ganz im Gegenteil. Es sind kleine runde Mädchen und Jungen mit Pausbacken, man kann sie eher mit Schäfchenwolken vergleichen. Wenn sie sich zu Stürmen zusammenbrauen, können sie sich allerdings ziemlich in die Länge ziehen.“
    Ich betrachtete andächtig diesen kontrollierten Wirbelsturm mitten auf der Wiese und versuchte die kleinen Mädchen und Jungen auseinander zu halten, bis Neve mich nach einer Weile weiterzog. Jemand kam uns auf dem dunklen Weg entgegen gestolpert.
    „Hi“, grüßte Neve. Ich konnte nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war, so schnell war die Gestalt wieder in der Dunkelheit verschwunden. Neve wechselte die Richtung. Wir bogen nach links ein, weg von der Akademie.
    „Jetzt langsam“ , mahnte sie mich und nahm mich bei der Hand.
    Die Blütenblätter wurden weniger in der Luft. Ich sah fast nichts mehr.
    Neve bewegte sich jedoch, als ob sie alles sah.
    „Deine Augen werden noch besser, keine Sorge“, beruhigte sie mich.
    „Du kannst doch Gedanken lesen“, antwortete ich mit strafendem Unterton.
    „Nein, kann ich nicht. Aber ich kann spüren, was in anderen vorgeht. Wenn ich mich stark auf eine Person konzentriere, erhalte ich Zugang zu ihren Sorgen, Ängsten und Wünschen. Dann höre ich manchmal ihre innere Stimme und kann ihr wie eine weitere innere Stimme antworten, ihr Mut zuzusprechen und ihre Ängste abzumildern, verstehst du?! Es gehört zu den Aufgaben eines Engels.“
    „Dein Job in der Menschenwelt?“
    „Genau.“
    „Du sitzt dann neben ihm und führst einen Dialog, der im Inneren der Person stattfindet?“
    „An öffentlichen Orten funktioniert es so …“
    „Und wenn du jemanden zu Hause besuchst, dann machst du dich unsichtbar oder was!“, scherzte ich. Doch Neve antwortete ganz ernst:
    „Genau.“
    Ich war verblüfft. Ich hatte mal wieder vergessen, wo ich mich befand.
    „Was? Du kannst dich tatsächlich unsichtbar …?“
    „Natürlich“, gab sie mit leichter Empörung zurück. „Ich bin ein Engel!“, setzte sie stolz nach. „Du wirst dich auch in Erde und Sandstürme verwandeln können.“
    „Was???“ Ich war schockiert! Lernte ich hier, wie man sich in Sand auflöste? Ich spürte leichte Panik.
    „Nein, das will ich aber nicht“, gab ich zurück, doch Neve ging nicht drauf ein, sondern rief auf einmal:
    „Stopp!“, und hielt jetzt nicht nur mit einer Hand meine Hand, sondern schob mir ihren anderen Arm vor mein Schlüsselbein.
    „Schau hinunter“, flüsterte sie feierlich. Ich schaute hinunter und bekam einen fürchterlichen Schwindelanfall. Ich schwankte, aber Neve hielt mich fest. Meine Fußspitzen ragten einen Zentimeter über einen Abgrund. Ganz unten flimmerte es bläulich hell.
    „Hier fliegen die Engel ab. Ist das blaue Licht nicht schön?“
    Ich trat einen Schritt zurück und presste ein „Ja.“ hervor.
    „Es bedeutet, dass schönes Wetter in Berlin ist.“ Bei Regen ist es mehr grau. Nachts sieht man nur ein paar gelbe Punkte, die Straßenlaternen. Aber wenn die Sonne scheint, dann gibt es dieses herrlich blaue Licht.“
    „In Berlin scheint jetzt die Sonne?“
    „Ja. Es ist verdreht. Wir sind hier „auf der anderen Seite“ sozusagen. Hier ist es Nacht, wenn es dort Tag ist und umgekehrt.“
    Ich erinnerte mich, dass ich nachts im See untergegangen und auf einer Wiese mit der Sonne im Zenit wieder zu mir gekommen war. In Berlin schien jetzt die Sonne. Ich konnte hier hinunter schauen und sah den Himmel von Berlin! Ich konnte es kaum glauben und seufzte. Neve streichelte meinen Arm.
    „Du kannst bald wieder hin. Die Zeit vergeht schneller, als du denkst. Glaub mir.“ Ich straffte mich, um meinem Kummer keine Falten zu bieten, in denen er sich festhaken konnte.
    „Da springst du jedes Mal hinunter?“, fragte ich Neve ungläubig.
    „Oh ja, es macht Spaß.“
    Ich riskierte einen letzten Blick in die schockierende Tiefe.
    „Wann warst du das letzte Mal …?“
    „Letzte Nacht … um die ein paar Sachen zu kaufen.“ Ich sah ihr Grinsen im fahlen Licht des blau schimmernden Abgrunds.
    „Du hast mir das alles gekauft?“ Ich befühlte meinen Pullover.
    „Hab ich deinen Geschmack getroffen?“
    „Ja. Perfekt! Kein Vergleich mit Delia – meiner Mutter. Aber wer bezahlt das?“
    „Die Akademie. Darüber brauchst du dir keinen Kopf machen. Für dich ist gesorgt. Das ganze Jahr.“ Neve zog mich noch ein Stück weg vom Abgrund und machte Anstalten, den Rückweg einzuschlagen.
     „Okay,

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