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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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traumlos in meinem neuen Zimmer. Als ich aufwachte, wartete Neve bereits mit einem englischen Frühstück: Schinken, Eier, Würstchen und Bohnen. Auf Neves Anraten hatte ich mir ein paar stabile Sachen angezogen. Eine feste Jeans, eine Lederweste und ein paar Wanderschuhe. Meine Haare band ich zu einem Pferdeschwanz. Ich sah in den Spiegel und fand mich insgeheim cool. Das Gute an meiner Situation war definitiv mein Äußeres.
    Ich spazierte hinüber zur Akademie. Von Neves Haus aus waren es circa zehn Minuten. Etwas kürzer als mein bisheriger Schulweg. Hier und da traf ich ein paar Leute, die dasselbe Ziel hatten. Sie sahen alle recht normal aus. Die meisten schienen ungefähr in meinem Alter zu sein. Ich fragte mich, wie viele Studenten die Akademie im Schnitt hatte, vielleicht irgendwas zwischen fünfzig und hundert, schätzte ich. Von Leonard war zum Glück weit und breit nichts zu sehen. Ich hoffte, das blieb erst mal so.
    Ich trat durch die Schwingtür in die Eingangshalle. Jerome war schon da und kam mir entgegen. Mit seinen Jeans, seinem Muskelshirt und seinen braungebrannten Armen sah er eher wie ein Surflehrer aus und nicht wie jemand, der mich lehren würde, zu Staub zu zerfallen.
    „Kira, wie geht’s? Schon ein bisschen akklimatisiert?“
    Er wartete keine Antwort ab, streckte mir eine angenehm warme Hand entgegen und berührte mich an der Schulter.
    „Komm, zuerst eine kleine Führung. Und dann schauen wir mal, was in dir steckt!“
    Jerome lächelte mir aufmunternd zu. Seine fröhliche Art war ansteckend.
    „Okay“, brachte ich hervor. Jerome machte mich verlegen.
    Die erste Etage bestand aus einer langen verglasten Galerie, die nach hinten zum Wald lag. Nach rechts gingen einige Türen ab. Sie waren mit Feuer, Wasser, Erde, Luft, Äther beschriftet.
    „Hier haben wir die Experimentierräume für jedes Element. Da kann man klein anfangen, ohne draußen gleich das ganze Ökosystem durcheinander zu bringen.“
    „Wie viel Studenten sind denn an der Akademie?“, fragte ich.
    „Es ist unterschiedlich. Im Schnitt hat jeder der Mitglieder des Rates sechs bis acht Auszubildende im Jahr. Insgesamt sind es also so um die fünfzig. Je nachdem, wie lange jemand braucht …“
    „Wie lange? Dauert die Ausbildung nicht immer ein Jahr?“
    „Ungefähr. Aber es lässt sich im Einzelfall nicht genau angeben. Manch einer braucht auch zwei oder drei Jahre …“
    „Was? Drei Jahre? Aber warum hat mir das bisher niemand gesagt?“ Ich blieb stehen und sah Jerome vorwurfsvoll an.
    „Was würde das ändern? Es ist wie es ist. Und es liegt zu einem guten Teil an jedem selbst - wie ernst er sein Studium nimmt, wie diszipliniert er ist und vor allem: wie sehr er sich entweder gegen sein besonderes Talent wehrt oder es annimmt und seine große Chance darin begreift.“ Jerome warf mir einen oberlehrerhaften Blick zu.
    Ich stieß ein „Pff…“ aus.
    „Am besten, wir benutzen deinen Frust gleich mal!“ Er schloss die Tür mit der Aufschrift Erde auf und führte mich hinein. Der Raum war eine Mischung aus Baumarkt und Chemielabor. Auf einer langen Arbeitsfläche vor den Fenstern standen Gefäße und Reagenzgläser. An der linken und rechten Wand befanden sich Schalen und kleine Loren mit verschiedenen Materialien: alle Arten von Gestein, Ton, Lehm, Sand, Erde …“
    Jerome griff in eine Kiste mit feinem weißem Zuckersand und streute einen Hügel auf die Arbeitsfläche.
    „Konzentriere deine Wut auf den Hügel. Stell dir vor, er wäre an allem schuld, was dich ärgert.“
    Ich forschte in Jeromes Gesicht. Wusste er über mich etwa auch mehr Bescheid, als mir lieb war? Aber es sah nicht so aus. Er schien das mit dem Ärger nur auf die Ausbildungslänge zu beziehen. Ich zog die Brauen zusammen, versuchte genug Wut zusammen zu ballen, aber fühlte nichts als Leere und kam mir albern vor.
    „Los, versuch es. Mit deinen Augen, deinen Händen, was du brauchst.“
    Ich zögerte immer noch und dachte an mein Erlebnis gestern am Erd-Durchgang.
    „Gibt es hier auch Erdgnome?“, fragte ich zaghaft.
    „Nein, im Übungsraum nicht. Sie lassen sich nicht einsperren. Hier soll es nur darum gehen, die physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu verstehen und sie dann auszuhebeln.“
    Also, gut. Ich versuchte mich auf den Hügel zu konzentrieren, aber nichts passierte. Meine Wut war irgendwie verflogen.
    „Nicht mehr wütend?“, fragte Jerome und schmunzelte. Ich schüttelte den Kopf.
    „Kann man die Elemente nur beherrschen,

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