Himmelsvolk
empor bis auf einen Ast der Linde, und sein Leuchten begleitete ihn.
Die Welt war verklärt vom Licht des Mondes, der voll und rund hoch am Himmel über dem schlafenden Erdreich stand, inmitten unzähliger Sterne. Da der dürre Ast des Baumes vorragte, saß der Elf in der kühlen, hellen Luft zwischen Himmel und Erde, allein, wie er war, unter den vielen schlafenden Geschöpfen, unter denen er verweilen mußte, bis eine große Liebe ihn zu seiner himmlischen Freiheit erlöste.
Sein Goldhaar blinkte im Mond, wie einst, als er die Lilie verließ, um das Glück eines irdischen Wesens zu werden. Er dachte an die kleine Biene Maja, mit der er zu den Menschen geflogen war, und die nun in hohem Ansehen bei den Ihren daheim in der Bienenstadt des Schloßparks weilte. Und die himmlische Ungeduld, der irdische Teil aller Wesen, die das Gute von ganzem Herzen wollen, strahlte aus seinen Augen in ihrer Traurigkeit.
Gibt es auf der Erde diese große Liebe, die mich erlösen soll? dachte er. Ich will nicht in Bangen leben, die Nacht ist wundervoll. Mir wird geschehen, wie es im ewigen Rat bestimmt ist.
Er erschrak ein wenig, als ihn plötzlich jemand sanft, aber recht vernehmbar, von der Seite anstieß. Es war Uku, die Nachteule, die groß und dunkel dicht neben ihm auf dem Lindenast saß und ihn mit ihrem Flügel angestoßen hatte.
»Gute Mondfahrt«, sagte sie bedächtig, aber herzlich, auf ihre Art, und der Elf grüßte sie auf seine.
»Du schläfst nicht?« fragte Uku, »dir ist wohl in der Kühle und im sanften Licht; ist es nicht so? Ich werde die Leute nie recht begreifen lernen, die das grelle Sonnenlicht diesem milden Himmelssegen vorziehen.«
»Lebst du hier immer in der Linde?« fragte der Elf, der Uku wiedererkannte.
Uku nickte. Ihr großes Gesicht mit den schwarzen runden Augen sah merkwürdig genug aus, der kleine gebogene Schnabel hockte darin wie eine Nase, und sie hatte eine seltsam melancholische Art, ihre Augenlider ganz langsam zu öffnen und zu schließen. Man unterschied in ihrem weichen Gefieder kaum eine Färbung, es schimmerte grau und leblos, wie die Schatten der Blätter am Stamm. Wäre die vertrauensvolle Art des Elfen nicht frei von Furcht gewesen, so hätte ihn sicher ein heimliches Grauen vor seiner lautlosen Nachbarin befallen.
Uku schwieg lange und sah über die Felder auf das beschienene Land. Es lag ein feiner Nebelschleier über dem Korn, und von weit, weit her hörte man das Bellen eines Hundes.
»Ein stilles Land«, sagte sie endlich und seufzte aus tiefster Brust auf.
Der Elf wandte sich ihr zu und sah sie an.
»Quält dich etwas?« fragte er.
»Ich kenne dich schon lange,« entgegnete die Eule, ohne gleich auf seine Frage zu antworten, »ich habe dich unter Pflanzen und Tieren gesehen, mit Faltern, Rehen und dem kleinsten Gewürm, und habe mir viele Gedanken über dich gemacht. Ich bin ein alter Vogel, und du, der so vielerlei weiß, wirst auch wissen, daß ich es ernst nehme mit meinen Gedanken. Manche fragen mich um Rat, und ich gelte als weise. Ich kann, was ich sehe und erfahre, in meine Betrachtung der Welt einreihen, ich verstehe es auf meine Weise, aber dich verstehe ich nicht. Es ist meine Art nicht, viel zu sprechen, und auch du sprichst wenig. Dich liebt man, obgleich du schweigst, und ich schweige, obgleich ich weiß, daß ich deshalb nicht eben geliebt werde. Wenn ich es recht betrachte, so bin ich den Tieren des Waldes, den Geschöpfen des Tages verhaßt, du aber bist geliebt, wohin du kommst, und tust nichts, um es zu erreichen. Willst du nicht mit mir sprechen? Ich möchte verstehen lernen, was dich so lieblich macht, du mußt aus einer hellen Welt unvergänglicher Freude stammen.«
Uku schwieg und sah nun mit weitgeöffneten Augen in die Weite. Es war so totenstill im Baum und umher im Umkreis, als seien die Zweige und Blätter nicht aus zartem, beweglichem Lebensstoff, sondern erstarrt. Nicht die Spitze eines Blättleins rührte sich. Und über der leblosen dunklen Welt mit ihren schlafenden Geschöpfen lag das weiße, tote Himmelslicht und die feuchte Kühle der Sommernacht.
Der Elf hatte den Kopf geneigt. Nun warf er in holder Ruhlosigkeit sein schimmerndes Haar zurück und sah groß und gerade hinauf in den Mond.
»Uku, wie redest du denn?« sagte er leise. »Wäre ich ein Wesen wie ihr, so würde ich leiden und mich freuen wie ihr, aber ich bin nur ein verflogener Elf. Hast du nie von den Elfen gehört, daß du nicht weißt, woher sie stammen und wohin
Weitere Kostenlose Bücher