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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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aufgekommen ist, ist so alt wie die Welt, um sie hat sich viel Streit der Gedanken auf Erden erhoben, und manche Stirn voll Hoheit und Kraft ist darüber ermüdet in die Nacht zurückgesunken. Denn die Wunden, welche die Gedanken schlagen, sind brennender und bitterer als die Verwundungen jedes anderen irdischen Kampfes. Aber davon sollst du nichts wissen, du Gesegneter in deiner Einfalt. Was unser letztes Ziel ist, ist dir von Anfang zugefallen. Dir und deinesgleichen, euch ist von den Heiligen der Welt das Reich versprochen.«
    Der Elf saß ruhig mit gefalteten Händen da und schaute ins Land, er wehrte der Eule nicht, noch gab er ihr recht, man hätte wirklich nicht mit Sicherheit sagen können, ob er ihr zugehört hatte. Er erhob plötzlich seine helle Stimme und sang in die Nacht hinaus:
    Meine Heimat ist das Licht,
heller Himmel meine Freude!
Tod und Leben wechseln beide,
aber meine Seele nicht.

    Trauer du, mein irdisch Los,
über deinen bittren Gaben
will ich meine Seele groß,
will sie stark und glänzend haben.
    Ein Wind erhob sich mit leisem Erbrausen der Blätter und mit feuchter Wiesenkühle und trug das Lied über das schlafende Land dem Morgen entgegen. Die Eule aber warf sich plötzlich in ihre weichen, lautlosen Flügel, totenstill, wie ein Schatten, flog sie davon, über die Kornfelder, dem sinkenden Mond entgegen, der sich rötlich färbte. Eine seltsame Traurigkeit begleitete sie und doch zugleich eine tiefe Beseligung. Sie sah das Land, das sie überflog, die Äcker, die Wälder und Wiesen mit ihren Weiden und die Häuser der Menschen, die dunkel und lichtlos zwischen Bäumen lagen, in der verschleierten Ebene. Alles erschien feierlich und zu Großem bestimmt, wie auch uns Menschen bisweilen die Dinge erscheinen können, wenn Musik erklingt.

Zwölftes Kapitel
Traule

    Ein warmer Frühlingsabend zog über die Waldwiese und ihre Leute, es war einer von jenen unbeschreiblich klaren Abenden, die die Herzen aller Wesen in einen Frieden versenken, wie niemand ihn nennen kann. Die Sonne ging langsam hinter einer schmalen Wolkenbank unter und umzog ihre Ränder mit einem strahlenden Feuerband, als flösse glühendes Gold in unversiegbaren Strömen um sie her, und in weiter Ferne funkelte ein leuchtendes Wolkengebirge, schneeweiß und blutigrot. Es ging eine solche Klarheit und Ruhe von diesem gewaltigen Bild am Himmel aus, daß niemand an nahe oder kleine Dinge zu denken vermochte, alle Gedanken wurden weit emporgehoben in diese Freiheit der Himmelsform, so daß sie über die ganze Erde Ruhe und Glück verbreitete.
    Ein Abglanz dieser Schönheit sank auch bis tief hinab in die heimlichsten Gründe der Waldwiese, er rieselte durch das Laub der alten Linde nieder, als würde das Abendgold von ihren höchsten Wipfeln vom Windhauch niedergeschüttet. Die Blumen konnten nicht schlafen vor Glück, immer noch kamen Käfer und Schmetterlinge zu ihnen, ruhlos vor Seligkeit, doch leise und beinahe geheimnisvoll, weil sie nicht stören wollten in dieser Andacht, in der mit dem kühlen Wind die Träume herangaukelten, um in die Seelen der lebendigen Wesen einzuziehen.
    Da breitete sich ein kaum vernehmbares Rauschen über die Wiese und ihre Bewohner aus, es kam von der Linde, durch die der Abendwind zog, und nun wußten alle, daß der alte Baum, noch vor der Ruhe der Nacht, seinen Schützlingen eine seiner Geschichten von den Menschen erzählen wollte, und die leise Bewegung aus den Zweigen der Linde teilte sich den Gräsern und Blumen und allen Tieren mit in einer fröhlichen Erwartung. Was konnte es Schöneres geben, als am Frühlingsabend seine Augen zu schließen und einer so liebevollen Stimme zu lauschen, die noch nicht schlafen wollte und doch die kühle Ruhe der Nacht nicht störte, die verstand, daß das Glück eines genossenen Tages sowohl den Schlaf fernhalten kann, wie auch ein großer Schmerz es vermag. Aber beide, Freude und Schmerz, haben in der Klarheit eines scheidenden Tages ein milderes Wesen, als ahnten sie, daß, wie nun Licht und Finsternis in der Natur, so auch Freude und Schmerz in den Herzen der irdischen Geschöpfe wechseln müssen.
    Aber als eben die Linde beginnen wollte, erhob sich im Busch über dem Bach noch einmal die Stimme des Rotkehlchens. Es erklang im goldenen Licht ein so lieblicher Jubel, daß man für einen Augenblick seine Augen schließen mußte, als gelte es, die Lichtquellen zu bewahren, die im Gemüt bei diesen Tönen aufbrachen. In der Dämmerung, unter den

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