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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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sie gehen?«
    »Du liebst und leidest doch wie wir,« sagte Uku, »wenn du auch sagst, daß du es nicht tust. Ist nicht schon vieles in deinem Herzen anders geworden?«
    Der Elf sah erstaunt auf, wandte sich der Eule zu, und seine Augen leuchteten, als habe er ein Wort des Danks auf den Lippen, aber er sagte es nicht, sondern barg plötzlich sein helles Angesicht in den Händen und schluchzte.
    »Siehst du«, sagte die Eule, aber es klang unbeschreiblich liebevoll. Sie war in der Tat ein weiser und erfahrener Vogel. Und sie schwieg, denn sie wußte, daß Schweigen oft mehr Linderung bringt als die besten Worte.
    Nach einer Weile hob der Elf sein Haupt ruhig empor, man sah keine Spuren von Tränen mehr in seinen Augen, und der Klang seiner feinen Stimme war so klar, als würde eine hohe Saite mit einem silbernen Hammer angeschlagen. Doch hatte diese Stimme nichts Fremdes oder Besonderes, sie war den vertrauten Lauten der Natur verwandt, dem Lied des Windes, dem Gesang der Vögel oder dem Fall des Wassers. Uku war ganz betört von dieser Stimme, und ihr schien, als träumte sie, als der Elf sagte:
    »Wenn ich eure Freude und euer Leid teilen muß, so liegt es daran, daß ich mich verflogen habe. Meine Bestimmung war, ein irdisches Wesen zu seinem höchsten Glück zu führen und in die Helligkeit meiner Heimat zurückzukehren, nicht aber unter euch zu verweilen. Nun ich aber an die Erde gebunden bin, verwandelt ihr Wesen das meine langsam. So ist meine Seele nun geteilt, Uku; sie war berufen, eure Freude und eure Betrübnis zu verstehen, euer Verlangen und eure Schuld, sowie auch eure Schönheit und eure Armut. Nur für euch erwachte sie für kurze Zeit. Die Aufgabe meiner Seele war, alles zum Besten zu kehren, nach ihrer Kraft, und sie selber bedurfte der Erlösung nicht, denn sie selber war damals noch nicht an Vergängliches gebunden. So zog ich im silbernen Nachtfrieden durch das Tal der Welt, selig, da ich beseligen durfte, wunschlos und unaussprechlich frei. Aber nun ich durch meine Schuld an Vergängliches gebunden bin, Uku, bedarf auch ich der Erlösung, denn ich habe die irdische Sonne gesehen in ihrer Herrlichkeit, und wenn ein Elf sie gesehen hat, so ist er an ihr irdisches Reich gebunden.
    Verstehst du nun, warum mein Herz zerteilt sein muß? Bei meinem Wunsch, nichts zu tun, als andere zu beseligen, empfinde ich nun auch das Verlangen nach eigener Seligkeit, ich wollte Leiden lindern und sehe mich nun in eigenes Leid verstrickt, ich wollte durch Freude Erlösung bringen, und nun harre ich selbst der Erlösung vom irdischen Bann. Daraus entsteht meine Traurigkeit.«
    Uku hatte sich in die Dunkelheit abgewandt und schwieg. Es bewegte ihr Herz, was der Elf sagte. Nach einer Weile fragte sie:
    »So bist du nicht mehr glücklich, Elf?«
    »Doch,« antwortete der Elf, »ich bin es.«
    »Was macht dich glücklich?«
    »Daß ich lieben kann und Hoffnung im Herzen trage. Alles hat sich verändert, seit ich die irdische Sonne an jenem Morgen gesehen habe.«
    »Ja, ja,« meinte Uku, »es ist eine ganz neue Liebe in dir entstanden.«
    »Sie kann nicht beginnen oder aufhören«, sagte der Elf zuversichtlich. »Sie schlief in mir.«
    Wieder war es eine Weile still in der feierlichen Nacht zwischen diesen beiden Geschöpfen, der großen dunklen Eule, die wie eine unförmige Figur auf dem Ast hockte, und dem Elfen, der licht und zart wie ein kleiner Engel neben ihr saß.
    Bald darauf sagte Uku bedächtig und schloß für einen Augenblick ihre großen runden Augen, die, gerade wie beim Menschen, beide vorne nebeneinander unter der Stirn saßen:
    »Auf unser Volk ist im Lauf der Jahrhunderte viel Wissen überkommen und hat sich getreulich vererbt, und so habe ich wohl immer erfahren, Elf, daß diejenigen Wesen, die Liebe im Herzen tragen, auch am zuversichtlichsten auf eine Erlösung hoffen, aber glaube es mir, Uku, der alten Eule: Nur wer wahrhaft weise ist, kann glücklich sein!«
    »Nein,« sagte der Elf mit seiner kindlichen Stimme, »es ist umgekehrt, nur wer wahrhaft glücklich ist, kann weise sein.«
    Uku war wirklich außerordentlich erstaunt über diese Antwort des Elfen und mußte sich sehr lange besinnen, bis sie eine Entgegnung darauf machen konnte.
    »Daran muß ich nun Nacht für Nacht denken,« sagte sie endlich langsam, »ich bin eine alte Eule geworden und kann meine Ansichten nicht mehr ändern, aber soviel sehe ich aus allem, was du sagst und tust, du bist ein himmlisches Kind. Die Frage, die zwischen uns

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