Himmlisch verliebt
es nicht. Sie hatte keine menschlichen Gefühle. Jedenfalls hoffte sie das. Und eigentlich war sie sogar ziemlich überzeugt davon.
„Was ist das denn?“ Elias zog eine CD aus der Schultasche. „ Spiritworld “, las er vor. Dann lachte er. „Hast du mir dieses Spiel in die Schultasche gesteckt, Lilith?“ Er lachte schallend. „Wahrscheinlich bist du auch so ein Computerfreak, wie ich. Gib‘s zu!“
Lilith starrte ebenso verblüfft auf die CD wie Elias. Sie verstand auch nicht, wie sie in Elias‘ Tasche gelangt war.
Sofort setzte sich Elias an den Schreibtisch und versuchte den Computer anzuwerfen, doch er lief nicht. Seine Mutter hatte das Verbindungskabel zwischen Monitor und Computer abgezogen.
„Ich hasse sie, ich hasse sie!“, zischte Elias. „Was hat meine Mutter überhaupt in meinem Zimmer zu suchen, verdammt noch mal!“ Eine Weile rannte er wütend durch die Wohnung, suchte in Schubladen und Schränken herum und fluchte, was das Zeug hielt. Schließlich gab er auf. Er trat einmal wütend gegen den Schrank, warf sich dann aufs Bett und starrte an die Zimmerdecke. „Jetzt freust du dich, Lilith, was?“, fauchte er nach oben. „Jetzt denkst du, ich bin auf einem guten Weg. Ich entwickele mich vielleicht zu einem freundlichen Wesen, das Bücher liest und im Haushalt mithilft.“ Er lachte böse. Seine Augen funkelten.
Lilith setzte sich zu ihm aufs Bett und sah ihn an. Wie kann ich ihm bloß helfen, dachte sie unglücklich.
„Du lachst bestimmt ganz laut!“, rief Elias weiter. „Du weißt bestimmt, wo meine Mutter das Kabel versteckt hat. Aber das verrätst du mir natürlich nicht.“
Lilith überlegte, ihm über das Gesicht zu streicheln. Vielleicht würde ihn das beruhigen. Gerade als sie den Arm nach ihm ausstreckte, richtete er sich auf. Dann grinste er.
„Wenn du nicht für mich da bist, verabrede ich mich mit Merle“, überlegte Elias laut.
Lilith wartete. Eigentlich fand sie die Idee gar nicht so schlecht. Es würde Elias sicherlich gut tun sich mit jemandem zu verabreden. Aber musste es ausgerechnet diese Merle sein?
„Das mache ich“, rief Elias lauter. „Hörst du, Lilith? Ich treffe mich mit Merle. Was sagst du dazu, Lilith? Bist du dann traurig? Willst du doch lieber, dass ich zu Hause bleibe? Vielleicht legst du mir ja das Kabel freiwillig auf den Schreibtisch!“
Aber Lilith rührte sich nicht. Ich darf mich nicht immer von ihm einwickeln lassen, dachte sie verärgert.
Da zog Elias dieses kleine Telefon aus der Tasche, das er immer bei sich trug, und tippte auf den Tasten herum.
„Hi Elias!“, hörte sie Merles Stimme.
„Hast du Zeit, dich mit mir zu treffen?“, wollte Elias wissen.
Er zwinkerte direkt in Liliths Richtung, so dass sie erschrocken an sich herunter sah. War sie etwa schon wieder sichtbar für ihn? Aber nein, sie war es nicht. Er schien mittlerweile nur ein gutes Gefühl dafür zu haben, wo sie sich gerade befand.
„Dann würde ich vorschlagen, in einer halben Stunde in der Stadt. Am Marktplatz? Okay. Ciao!“ Er drückte das Gespräch weg und sprang auf. „Hast du gehört, Lilith? Ich treffe Merle. Meine Zweittraumfrau. Nach dir natürlich. Aber du bist ja unsichtbar!“ Er riss die Schranktür auf und kramte in den Schrankfächern herum. „Was ziehe ich an?“ Eine Sweatshirtjacke nach der anderen zog er aus den Fächern, schlüpfte mal in eine blaue, dann in eine schwarze, dann in eine graue. „Sag schon, Lilith? Was ziehe ich an? Ihr Mädels habt doch immer den besseren Geschmack.“
Lilith hätte gerne gelacht. Sie lehnte an der Fensterbank und sah ihm zu.
„Was sagst du? Die Schwarze? Okay, überredet!“
Elias schien es zu gefallen, mit sich selbst zu reden. Er zog den Reißverschluss der Jacke zu, bürstete sich die Haare noch einmal, stopfte das kleine Telefon, einen Schlüssel und etwas Geld in die Hosentasche und öffnete dann die Wohnungstür weit.
„Also gut, meine Liebe. Komm mit!“, sagte er. „Wir wollen Merle doch nicht warten lassen.“
6.
Zuerst war es nur eine freundschaftliche Begegnung gewesen. Merle und Elias waren durch die Stadt gebummelt, hatten im Bistro eine Cola getrunken und waren dann weiter in den Stadtpark gegangen. Lilith war ihnen gefolgt.
Die Sonnenstrahlen wurden allmählich länger, die Luft kühler. Und mit der Zeit wurden auch ihre Gespräche intensiver, die Blicke tiefer. Lilith bemerkte, wie Merle und Elias einander immer häufiger berührten. Und als sie schließlich am Geländer des
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