Himmlisch verliebt
kleinen Sees angekommen waren, griff Elias Merles Hand. Merle blieb stehen und drehte sich zu ihm. Die beiden standen nun ganz dicht voreinander. So dicht, dass sich ihre Körper berührten.
Wenn ich jetzt zwischen ihnen stünde, könnte ich ihn genauso spüren, wie sie ihn spürt, dachte Lilith. Zuerst fand sie die Idee einfach nur komisch, aber je länger sie darüber nachdachte, umso aufregender fand sie sie. Wenn ich vor Merle stehe, überlegte sie weiter, wird er auch mich umarmen, mich streicheln, vielleicht sogar küssen.
Elias hatte Merle dicht an sich gezogen. Er sah sie an, lächelte. Langsam hob er seine Hand und streichelte die blonden Haarsträhnen aus ihrem Gesicht. Merle schloss die Augen.
Lilith hielt es nicht mehr aus. Sie schwebte zu den beiden hinüber und schob sich zwischen sie. Es war genau der richtige Moment. Elias hatte sich zu Merle hinüber gebeugt. Lilith spürte seine Lippen auf ihren. Fühlte, wie seine Hand ihr Gesicht streichelte. Und dann streichelte sie ihn auch. Streichelte seine Wangen, seine Stirn und sein Haar. Sie sah, dass Elias die Augen geschlossen hatte, und küsste sie vorsichtig, streichelte seine Lippen mit ihren Fingern, küsste ihn wieder und wieder und ließ sich küssen. Dabei schaute sie ihn die ganze Zeit über an.
Mitten im Kuss öffnete Elias die Augen. Seine Pupillen weiteten sich. Fast erschrocken sah er aus. „Lilith?“, rief er.
Lilith zuckte zusammen. Konnte er sie etwa sehen? Das durfte doch nicht wahr sein! Sie riss sich von Elias los, schlüpfte zwischen den beiden Umarmenden heraus und trat zur Seite. Dann schaute sie an sich herunter. Nichts zu sehen. Sie war unsichtbar. Gott sei Dank.
Elias hatte nur Merle vor sich. Sein Blick veränderte sich. Überrascht sah er nun aus. Und ein bisschen traurig. „Merle!“
Merle löste sich aus seiner Umarmung und machte einen Schritt zurück. „Wieso nennst du mich Lilith?“, fragte sie. Ihre Stimme klang misstrauisch. „Lilith? Wer ist das?“
Elias ließ Merle los. Unruhig sah er sich nach allen Seiten um. „Lilith? Wieso Lilith?“, murmelte er.
Merle fasste ihn an die Schultern und rüttelte ihn. „Hallo? Genau das will ich von dir wissen. Lilith, wer ist das?“ Sie blickte sich um. Schaute dann wieder Elias an. „Was ist mit dir los? Ist hier jemand?“
„Nein, Quatsch!“ Elias versuchte seine Fassung wieder zu finden. Er legte seine Arme auf Merles Schultern und wollte sie wieder zu sich ziehen. „Alles in Ordnung. Ich hatte nur eine Vision.“ Er lachte.
Aber für Merle war längst nicht alles in Ordnung. Sie wehrte seine Arme ab. „Haben wir nicht erst vor kurzem über eine Lilith geredet?“ Sie dachte nach. „War das nicht eine Figur auf den Engelskarten, die ich dir gezeigt habe?“
„Ich weiß nicht, was du meinst.“ Elias versuchte, gelassen zu wirken. Doch seine Nervosität war ihm anzumerken.
Lilith war inzwischen zu einem Baum gegangen und lehnte sich gegen den Stamm. Immer noch spürte sie Elias Kuss auf ihren Lippen. Das war irgendwie verrückt. Und auch einzigartig und wunderschön. Es war Jahre her, dass Lilith das letzte Mal einen Kuss bekommen hatte. Vorsichtig legte sie die Hände über ihr Gesicht, um das Gefühl länger bei sich zu behalten. Wie aus der Ferne drangen Elias‘ und Merles Stimmen zu ihr herüber.
„Du bist wirklich merkwürdig.“
„Nicht merkwürdiger, als du.“
„Vielleicht hattest du ja eine Freundin, die so hieß.“
„Nein.“
„… und bist nicht damit fertig geworden, dass sie mit dir Schluss gemacht hat.“
„Nein.“
„… und jetzt bildest du dir ein, ich wäre sie.“
„Nein.“
O Gott, was habe ich angerichtet, dachte Lilith erschrocken. Sie hatte Seraphin versprochen sich niemals in das Leben ihres Schützlings einzumischen. Und nun hatte sie sogar einen Streit ausgelöst! Wenn er davon erfuhr, konnte es das Ende bedeuten.
„Hör zu, Merle“, versuchte es Elias noch einmal. „Ich habe mich einfach versprochen. Das kann doch mal passieren. Der Schmidt nennt mich auch immer Tobias, obwohl ich ihm schon tausendmal gesagt habe, dass ich Elias heiße.“
Elias redete und redete. Doch je mehr er erklärte, desto weniger überzeugt sah Merle aus.
„Weißt du was? Du kannst mich mal“, blaffte sie irgendwann. „Melde dich einfach bei mir, wenn du von deiner Lilith losgekommen bist, okay?“
„Merle!“, rief Elias laut. Seine Stimme klang unglücklich.
Lilith nahm die Hände von den Augen und sah, wie Merle davon
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