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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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auf die Schreibtischplatte als den einzigen Platz, auf den er
sich in diesem mit nur zwei Stühlen ausgestatteten Zimmer setzen konnte.
Caterina war [61]  neugierig, wie er reagieren würde. Er überraschte sie nicht: Er
faltete seinen Mantel, legte ihn ordentlich auf den Tisch und lehnte sich mit
verschränkten Armen gegen die Platte.
    »Es freut mich, dass Sie beide anwesend sind«, begann er. »Signor
Stievani und Signor Scapinelli kommen um zwölf. Das gibt mir Gelegenheit, mich
vorher mit Ihnen zu besprechen.«
    »Um uns was zu sagen?«, fragte Roseanna. Caterina fiel auf, dass sie
es bis jetzt vermieden hatte, ihn direkt anzusprechen, also weder Sie noch du
zu ihm gesagt hatte. Sie konnten demnach alles Mögliche sein: Freunde, Feinde,
ein Liebespaar. Durch Roseannas Verhalten, eine Mischung aus Anteilnahme und
Beflissenheit, erübrigte sich die zweite Möglichkeit.
    Dottor Moretti überging Roseannas Frage. »Die beiden können es kaum
erwarten, dass Dottoressa Pellegrini mit der Arbeit anfängt.«
    »Noch heute, hoffe ich«, sagte Caterina. Dachte er, sie sei hier, um
sich von Roseanna eine Tasse Zucker auszuborgen?
    »Je schneller sie das alles durchsieht, desto weniger müssen die
bezahlen«, bemerkte Roseanna ohne jede Spur von Ironie oder Sarkasmus. Zeit ist
Geld, und sie als Venezianerin wusste: So war das nun mal.
    Ohne darauf einzugehen, fragte Moretti Caterina: »Haben Sie etwas
dagegen, auf der Stelle anzufangen, Dottoressa?«
    »Ganz im Gegenteil, Dottore«, lächelte sie. »Ich kann es kaum
erwarten herauszufinden, was für Schätze…«, sie legte eine winzige Pause ein,
»…in diesen Truhen auf uns warten.«
    [62]  Er verwandelte sein Stutzen sofort in ein Lächeln. »Ich
beglückwünsche Sie zu Ihrem Tatendrang, Dottoressa. Wir alle sehen Ihren
Recherchen mit Spannung entgegen.«
    »Die sind noch hinter etwas anderem her«, sagte Roseanna.
    Dottor Moretti bedachte sie mit einem kritischen Blick, als befremde
ihn diese unerwünschte Offenheit in Gegenwart einer Wissenschaftlerin, die
ebenso neutral zu sein hatte wie er selbst. Wortlos bückte er sich und ließ
seine Aktentasche aufschnappen. Er nahm einige Papiere heraus, reichte eins
Caterina und behielt eins in der Hand. »Ich habe mit den beiden…«, und hier
legte er eine Pause ein, noch kürzer als eben Caterina, »…Herren über das
Procedere gesprochen.«
    »Procedere?«, fragte Roseanna, ehe Caterina etwas sagen konnte.
    »Wenn Sie sich dies einmal ansehen möchten«, sagte er und
beobachtete Caterina über den Rand seiner Brille hinweg. »Hier steht schwarz
auf weiß, was ich Ihnen bereits erklärt habe: Die beiden verlangen schriftliche
Berichte.« Er zitierte: »›…Zusammenfassung des Inhalts und Übersetzung aller
Stellen, die sich auf die Wünsche des Verschiedenen hinsichtlich der Verwendung
seiner Habe beziehen könnten‹.«
    Caterina hatte ihre Freude an diesen Formulierungen, die die Cousins
nur von Dottor Moretti haben konnten: »des Verschiedenen«, »Verwendung seiner
Habe«. Ah, Sprache war etwas Wunderbares und selig, die Respekt vor ihr hatten.
    »Der Dottoressa ist jeglicher direkter, persönlicher [63]  Kontakt zu
den beiden…«, wieder diese Pause, »…Herren untersagt. Allfällige Mitteilungen
beziehungsweise von einer Partei eingeholte nähere Einzelheiten sind jeweils
über mich den beiden Parteien gleichzeitig zu übermitteln. Aller E-MailVerkehr
läuft ausschließlich über mich.« Caterina bestätigte das mit einem Nicken und
beschloss, ihre Frage nach dem Computer, auf dem sie besagte E-Mails versenden
sollte, zurückzustellen. Vor der Abreise aus Manchester hatte sie den Laptop,
den die Universität allen Mitarbeitern zur Verfügung stellte, abgeliefert, und
ihren eigenen Computer wollte sie nicht von zu Hause hierherschleppen.
    »Darüber hinaus«, fuhr Moretti fort und sah sie diesmal durch seine
Brille hindurch an, »sind für den Fall, dass eine der Parteien genauere
mündliche Auskünfte wünscht, Ort und Zeitpunkt des Treffens mit mir
abzustimmen, da ich bei jedem derartigen Treffen anwesend zu sein habe, fürchte
ich.«
    Caterina sagte gewinnend: »Ich hoffe, Ihre Furcht rührt nicht vom
Gedanken an meine Anwesenheit her, Dottore.«
    Moretti quittierte das mit einem Lächeln. »Nein, allein daher, dass
meine Anwesenheit weniger erfreulich sein könnte als die so überaus angenehme
Gegenwart der beiden anderen Parteien.«
    Caterina konzentrierte sich wieder auf das Papier, das er ihr
gegeben

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