Himmlische Juwelen
diejenige, die das publizieren und Artikel darüber
verfassen würde. Boosey & Hawkes gaben neuerdings auch Barockmusik heraus:
Einen besseren Verlag würde sie niemals finden. Wenn etwas ihre Karriere in
Schwung bringen konnte, dann dies.
Sie nickte scheinbar unbeteiligt, als böte sich ihr alle Tage eine
solche Gelegenheit. Dann fragte sie: »Und wenn ich etwas aus den anderen
Papieren veröffentliche?«
Er ließ die Hände sinken. »Ich bin Zivilrechtler, Dottoressa:
Dergleichen ist mein täglich Brot.«
»Will heißen, Dottore?«, fragte Caterina und merkte selbst, dass ihr
Ton sich geändert hatte.
Er hörte nicht nur die Frage, sondern auch den Tonfall und erklärte:
»Es wäre ein klarer Fall von Vertragsbruch, [67] Dottoressa. Sie müssten mit
einer Klage rechnen. Der Prozess würde sich sehr lange hinziehen und eine Menge
Geld kosten.« Er überließ es ihr, sich auszumalen, dass die Dauer des
Verfahrens sie beide betreffen würde, die Kosten aber sie allein zu tragen
hätte.
»Wie lange würde es dauern, bis ein solcher Prozess ausgestanden
ist?«, fragte sie. »Ich bin nur neugierig, sonst nichts.«
Er lehnte sich noch weiter gegen Roseannas Schreibtisch zurück und
ließ das Papier in seiner Hand sinken. »Ich könnte mir vorstellen, dass
mindestens acht oder neun Jahre vergehen. Es ist davon auszugehen, dass gegen
das Urteil Revision eingelegt würde.«
»Verstehe«, sagte Caterina und überging die Frage nach den Kosten.
»Ich bin mit den Konditionen vollinhaltlich einverstanden.«
Morettis ganzer Körper schien sich bei ihren Worten zu entspannen.
Caterina fragte sich, ob er womöglich persönlich daran interessiert sein
könnte, die Kontrolle über die Informationen in den Truhen zu behalten. Gab es
in diesen Dokumenten etwas, das er und die Cousins fürchteten? Irgendeinen
Skandal, der die Jahrhunderte still und leise in zwei verschlossenen Truhen
überdauert hatte? Caterina rief sich innerlich zur Ordnung: Wenn sie solchen
Ideen nachhing, würde sie am Ende noch genauso paranoid wie die Cousins.
Bevor Dottor Moretti ihr für ihre Einwilligung danken konnte, hob
sie eine Hand und sagte: »Ich möchte etwas klarstellen.« Er beugte sich
aufmerksam vor. »Ich möchte wiederholen: Ich bin keine Historikerin. Daher
könnte es [68] erforderlich werden, dass ich in der Marciana manches zum
geschichtlichen Hintergrund nachlesen muss, um die Dokumente einordnen zu
können. Und das kostet Zeit. Sind wir uns da einig?«
Dottor Moretti lächelte. »Aus Ihren Empfehlungsschreiben geht
hervor, dass Sie eine fleißige Forscherin sind, Dottoressa. Es freut mich, dass
dem offenbar tatsächlich so ist.« Sein Lächeln wurde breiter. »Natürlich können
Sie in der Bibliothek Nachforschungen anstellen. Das wird von unschätzbarem
Nutzen sein und Ihnen hoffentlich bei Ihrer Bewertung helfen.«
Roseanna gab zu bedenken: »Ich bezweifle, dass die bereit sein
werden, für historischen Kontext zu zahlen.« Als sie Caterinas Blick auffing,
fügte sie hinzu: »Du hast sie kennengelernt: Das sind schlichte Gemüter. Sie
denken in Zahlen, kennen nur Ja und Nein.« Sie sah zu Dottor Moretti hinüber.
»Sie haben sicher recht, Signora«, räumte er Roseanna gegenüber ein.
»Die beiden werden nicht verstehen, wozu geschichtliche Hintergründe gut sein
sollen.« Und dann zu Caterina: »Doch Sie sind Wissenschaftlerin.
Selbstverständlich müssen Sie seriös arbeiten, sonst brauchen Sie erst gar
nicht damit anzufangen. Es wird den Cousins nicht gefallen, aber ich denke, ich
habe Einfluss genug, auf sie einzuwirken.« Und nach einer Pause: »Ich halte
Hintergrundrecherchen für unerlässlich und durchaus vernünftig.«
»Vernünftig«, so kam es aus seinem Mund. Für Caterina war
»vernünftig« ein Wort, das ebenso eine Tugend wie ein Laster bezeichnen konnte.
Sie konnte nur hoffen, dass es bei dem Anwalt eine Tugend war.
[69] Lautes Klopfen an der Haustür riss sie aus ihren Gedanken.
Dottor Moretti sah auf die Uhr und sagte zu Roseanna gewandt: »Sie
hatten recht, Signora: Punkt zwölf. Unsere Gäste denken in der Tat in Zahlen.«
[70] 7
Roseanna erhob sich und sagte zu Moretti gewandt:
»Dottore, darf ich Sie bitten, unseren Gästen die Tür öffnen zu gehen?«
Es war Montag, an diesem Tag war die Bibliothek für Besucher geschlossen,
dort wären sie ungestört, dachte Caterina. Und es war der einzige Raum im Haus,
in dem es mehr als zwei Stühle gab, der einzige Raum, in dem sie alle
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