Himmlische Juwelen
umstandslos seine mangelhaften
Computerkenntnisse zugeben konnte. »Im Namen der Stiftung danke ich Ihnen für
diese großzügige Geste.«
Wunderbar, dachte Caterina, »großzügige Geste«: Wie Dottor Morettis
Ausdrucksweise doch abfärbt. Auch [76] beeindruckte sie, wie elegant Roseanna von
der Frage abzulenken wusste, warum die Stiftung keinen Computer hatte.
»Was hatten Sie denn ursprünglich damit vor?«, fragte Signor
Scapinelli.
Dottor Moretti sah ihn irritiert an, antwortete dann aber:
»Normalerweise überlassen wir sie den Kindern unserer Angestellten.«
»Sie verschenken sie?«, rief Scapinelli vorwurfsvoll.
»So können wir sie von der Steuer absetzen«, sagte Dottor Moretti –
was Signor Scapinelli so weit zu beruhigen schien, wie ein Wucherer sich nur
beruhigen kann, wenn er von einem entgangenen Profit erfährt.
»Sie erwähnten, es seien noch einige Dinge zu regeln«, brachte
Caterina das Gespräch wieder auf ihr Thema zurück.
»Ah ja. Ich danke Ihnen, Dottoressa«, sagte Dottor Moretti. »Wir
möchten einige Parameter für den Umgang mit den Dokumenten festhalten.«
»Parameter«, wiederholte sie, zum ersten Mal wenig beeindruckt von
seiner Wortwahl.
»Richtig. Wir müssen festlegen, wie wir beim Öffnen der Truhen
vorgehen sollen und wer anwesend sein darf, während Sie den Inhalt herausnehmen
und mit der Arbeit anfangen.«
»Lassen Sie mich eins klarstellen«, entgegnete Caterina. »Es ist mir
egal, wer beim Öffnen der Truhen anwesend ist, aber bei der Arbeit kann ich
niemanden in meiner Nähe brauchen.«
»Können Sie nicht?«, fragte Dottor Moretti.
»Es lenkt mich ab, wenn mir jemand über die Schulter [77] sieht – oder
auch nur irgendwo im selben Zimmer sitzt. Dann würde ich doppelt so lange für
die Untersuchung brauchen.«
»Nur weil noch jemand im Zimmer sitzt?«, fragte Dottor Moretti.
Jetzt fuhr Signor Stievani ungeduldig dazwischen. »Schon gut, schon
gut. Wenn wir beim Öffnen der Truhen anwesend sind, und wenn wir uns überzeugt
haben, dass sich bloß Papiere darin befinden, kümmert uns das nicht.«
Auf See zählt Papier wohl nicht?, dachte sich Caterina.
»Wir wollen ja nicht, dass sie bis ans Ende ihrer Tage damit
beschäftigt ist«, erklärte Signor Stievani an Dottor Moretti gewandt, der das
wörtlich nahm und den Sarkasmus ignorierte.
»Durchaus nicht«, stimmte er zu. »Demnach sind wir uns einig: Sobald
die Truhen geöffnet sind, kann Dottoressa Pellegrini allein in dem Zimmer
bleiben.«
»Ich arbeite also oben?«
»Ja, dieser Raum ist für die Arbeit vorgesehen«, sagte Dottor
Moretti. »Dort befindet sich der Tresor – und die einzige bestehende
Funkverbindung.«
»Wieso denn oben?«, wandte sich Caterina an Roseanna; schließlich
hatte der gestohlene Computer in der Etage darunter gestanden.
Roseanna antwortete leicht verlegen: »Na ja, der Internetzugang
gehört nicht direkt der Stiftung.«
»›Nicht direkt‹?«, fragte Caterina. »Wem denn?«
Ihre Verlegenheit wuchs. »Das weiß ich nicht.«
»Jetzt sag bloß nicht, ihr klinkt euch in eine fremde WLAN ein!«, rief Caterina.
[78] »Doch.«
»Und das hältst du für sicher?« Sie fragte gar nicht erst, wie es
weitergehen solle, wenn die Verbindung eingestellt oder von ihrem rechtmäßigen
Besitzer gesichert würde.
Roseanna zuckte gleichmütig die Schultern. »Keine Ahnung. Aber das
ist die einzige Verbindung, die wir noch haben. Dottor Asnaldi hat sie immer
benutzt, und es hat nie Schwierigkeiten gegeben.«
Schwierigkeiten machte dagegen Signor Scapinelli, der sich
einschaltete: »Dafür zahlen wir nicht. Sie geben ihr einen Computer, Sie finden
heraus, wie sie ihn verwenden kann.« Und mit unverhohlener Verachtung: »In
diesem Haus gibt es nicht mal ein Telefon.«
»Der Computer darf diesen Raum nicht verlassen«, meldete sich Signor
Stievani zu Wort.
Caterina sah die beiden schweigend an, und nachdem sich ihr Zorn
gelegt hatte, bemerkte sie freundlich: »Ich habe nichts dagegen, die vorhandene
Verbindung zu benutzen. Und der Computer kann die ganze Zeit da oben bleiben.
Was für Geheimnisse könnten denn schon Papiere bergen, die Hunderte von Jahren
alt sind?«
[79] 8
Kaum war dieses Thema abgehandelt, wurden die Cousins
unruhig. Erst sah Stievani auf die Uhr, dann Scapinelli. Caterina brauchte
einen Moment, ehe sie begriff: Wenn sich das Ganze noch länger hinzog, schwante
den beiden, müssten sie womöglich gemeinsam zum Lunch gehen, ja die anderen zum
Lunch einladen.
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