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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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blieb.
    In den Büchern fand sie zwei Porträts von ihm: eine Lithographie,
hundert Jahre nach seinem Tod angeblich nach einem Originalgemälde gefertigt
und mit einem Ziegenbärtchen versehen, so falsch und unschmeichelhaft wie die
Bärte, die man auf Fotos unbeliebter Politiker kritzelt. Und ein ihr schon
bekanntes zeitgenössisches Bildnis, das ihn mit einem Scheitelkäppchen zeigte.
Auf dem ersten Porträt blickte er recht mürrisch drein; hinter ihm erkannte man
Mitra und Krummstab. Auf dem zweiten war er im Ornat zu sehen und machte einen
verschlossenen, vor allem aber wohlgenährten Eindruck.
    Allem Anschein nach hatte er nie eine Messe gelesen, Trauungen oder
Beerdigungen zelebriert oder die Beichte abgenommen – warum aber zeigten ihn
dann beide Porträts mit den Insignien seines kirchlichen Amts? Er hatte den
größten Teil seines Lebens als Sänger, Komponist und Diplomat verbracht, doch
hierzu war kein Bild überliefert; ein Autor meinte sogar, solche Bilder habe es
nie gegeben.
    Wichtiger noch für Caterinas Zwecke: Wie konnte ein [105]  solcher Mann
einen »Schatz« anhäufen, und worin mochte der bestehen? Und falls es ihm
gelungen war: Warum wurde dann durchweg berichtet, er sei verschuldet gewesen,
habe den Großteil seiner Habseligkeiten zur Tilgung seiner Schulden veräußert
und sei in Armut gestorben? Hatte er seine Neigung der Pflicht geopfert – und
das für Gotteslohn?
    Caterina sah auf die Uhr, es war schon nach sieben. Plötzlich
überkam sie Panik, über Nacht hier eingeschlossen zu sein. Sie schlug das Buch
zu, zückte ihr telefonino und wählte Ezios Nummer. Erst
nach dem fünften Klingeln meldete er sich: »Bin schon unterwegs, Caterina. In
drei Minuten bin ich bei dir.«
    Sie beruhigte sich, sie habe doch gewusst, dass er sie nicht
alleinlassen würde, stellte das Buch ins Regal zurück, verstaute Stift und
Kladde in ihrer Tasche. Vor dem Karteikasten wartete sie auf Ezio; hier waren
die Namen der vielen Italiener verzeichnet, die die Welt mit ihrer Musik
beschenkt hatten, und das erfüllte sie unerwartet mit Stolz: Wir haben so viel
verändert; so viel Schönes erschaffen. Würde man Italien aus der Geschichte
streichen, die Halbinsel von der Landkarte radieren – was bliebe von der Kultur
des Abendlandes? Wer hätte Porträts gemalt, Kirchen gebaut, die Kleidung
entworfen und die Grundlagen des Rechts eingeführt? Und wer uns den Gesang
geschenkt?
    Ezio kam herein, und sie versuchte, ihre Ergriffenheit zu verbergen.
»Hast du etwas gefunden?«, fragte er.
    »Mehr als genug«, antwortete sie. »Vier Biographien und jede Menge
über die Musik und Politik der Barockzeit.«
    »Wird dir das helfen, deine Fragen zu beantworten?« Er klang
aufrichtig interessiert. Sie erinnerte sich, dass Ezio [106]  Geschichte studiert
hatte; das bibliothekarische Wissen hatte er sich erst in der Praxis
angeeignet.
    »Kommt drauf an, was ich in den Papieren finde«, sagte sie. Und dann
fiel ihr ein: »Darf ich die Bücher mitnehmen?«
    »Welche denn?«, fragte er.
    Sie nahm ein Buch aus dem Regal, und noch eins, das sie wieder gegen
ein anderes eintauschte. »Die zwei hier«, entschied sie dann und hielt ihm
beide hin.
    Er sah die Exemplare genau an, prüfte allerdings nicht die Titel,
sondern die Einbände, als enthielte die Standortnummer einen Geheimcode.
»Nein«, sagte er schließlich.
    »Oh, entschuldige«, nahm sie erschrocken die übergroße Bitte zurück.
    »Aber ich kann sie mitnehmen«, lachte Ezio
und klemmte sich die Bücher unter den Arm.
    Caterina lachte mit, doch dann meldete sich ihr
Wissenschaftlergewissen: »Aber du musst sie austragen lassen.«
    Immer noch grinsend meinte Ezio: »Mach dir keine Sorgen. Ich kenne
dich schon so lange, ich weiß, dass du nicht mit den Büchern durchbrennst.
Glaub mir, so ist es einfacher.« Er nahm ihren Arm.
    »Wie soll ich sie zurückgeben?«
    »Du bringst sie hier rein und legst sie auf den Rückgabetisch.«
    »Aber wie kann ich sie zurückbringen, wenn sie nicht ausgetragen
sind?«
    Seine Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Lass sie
einfach in der Tasche und zeig nur deine Karte vor.«
    »Und was ist mit dem Metalldetektor?«
    [107]  »Was soll damit sein?«, sagte er. »Der erkennt nur Metall.«
    »Aha«, sagte sie. »Natürlich, ein Metall detektor.«
    Um sie nicht auf dumme Gedanken zu bringen, erklärte er: »Nur die
Schranke am Ausgang registriert Chips in den Einbänden, so dass niemand Bücher
rausschmuggeln kann.« Stimmt,

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