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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die sich mehr mit
seinem Leben als mit seiner Musik befassten, und machte sich an den Regalwänden
auf die Suche.
    Als Ezio über eine Stunde später zurückkam, saß Caterina mit einer
etwa vierzig Zentimeter langen Bücherreihe vor sich in der Lesenische. Als er
hinter ihr stand, behielt sie den Finger auf der Zeile und drehte sich um. Er
legte ihr die Karte auf die aufgeschlagene Seite, gab ihr einen Kuss auf die
Wange und zog sich wortlos zurück. Caterina schob die Karte in ihre
Jackentasche und las weiter.
    Bei der Auswahl der Bücher ging sie systematisch vor. Der erste
Blick galt dem Verlag, der Schlüsse auf die [102]  Seriosität des Werks zuließ,
dann suchte sie nach Fußnoten und der Bibliographie. Alles, was nach
Selbstverlag aussah oder weder Anmerkungen noch Literaturnachweis hatte, ließ
sie stehen. Welchen Gelehrten wurde im Nachwort gedankt? Dieses Sichten kostete
einige Zeit, doch sie war froh, so viel Literatur über Steffani gefunden zu
haben.
    Sie machte sich erste Notizen. Über seine Familie: einfach, aber
nicht arm. Früh erkanntes Talent. Mit zwölf eine so schöne Stimme, dass er aus
Padua als Sängerknabe für die Aufführung einer Oper nach Venedig geholt wurde.
War wirklich der Erfolg der Oper daran schuld, dass er mehrere Wochen länger
blieb? Trotz seines kurz angebundenen Entschuldigungsschreibens wurde Steffani
nicht bestraft, als er so verspätet nach Padua zurückkam.
    Der Kurfürst von Bayern hörte ihn in Venedig singen und lud ihn nach
München ein, wo Steffani zum Hofmusikus berufen wurde. Um sich in den Künsten
zu vervollkommnen, schickte man ihn für einige Zeit nach Rom, wo zweifellos
auch seine geistliche Ausbildung begann. So entwickelte er seine Begabungen,
wie es sich für einen ehrgeizigen jungen Mann seiner Zeit geziemte.
    Sein Aufstieg begann mit der Übersiedlung nach Deutschland. Bald
danach wurde er zum Abbé ernannt, auch wenn Caterina keinen Hinweis darauf
finden konnte, dass er jemals eine Messe gelesen oder eins der Sakramente
gespendet hatte. War Abbé lediglich ein Titel, oder waren mit dem Amt auch
geistliche Pflichten verbunden?
    Sie ließ diese Überlegungen sein und konzentrierte sich auf München
und Steffanis wachsenden Ruhm als Komponisten. Er stand in Diensten eines
katholischen Kurfürsten [103]  und genoss dessen Gunst, doch als statt seiner 1688
Giuseppe Antonio Bernabei die Stelle des Kapellmeisters erhielt, der Sohn des
römischen Lehrers Steffanis, entschloss er sich, von München wegzugehen.
    Zum Glück hatte ihn Ernst August, der protestantische Herzog von
Hannover, in München gesehen und gehört; dieser Fürst führte einen Hof, der dem
des Sonnenkönigs durchaus Konkurrenz machen konnte. Von ihm als Musiker nach
Hannover geholt, wurde Steffani in einen hochgebildeten Zirkel aufgenommen,
hatte Philosophen zum Freund – Leibniz war einer von ihnen –, Musiker und
Aristokraten.
    Seine Schaffenskraft war auf dem Höhepunkt, sein Ansehen wuchs, und
Jahr für Jahr errang er mit neuen Opern immer größere Erfolge. Doch dann – als
Anfang der Neunziger sein Ruhm kaum mehr zu steigern war – gab er das alles von
einem Tag auf den anderen auf, um sich einer heiklen diplomatischen Mission zu
widmen, von der zwei Autoren vermuteten, sie habe dem Ziel gedient, andere Höfe
für Ernst Augusts Ernennung zum Kurfürsten von Hannover zu gewinnen.
    Nach dem Tod Ernst Augusts ging Steffani für einige Jahre an den Hof
des katholischen Kurfürsten von der Pfalz in Düsseldorf, wo er als Geheimer Rat
und Präsident des geistlichen Rats tätig war – was Caterina wiederum wenig
sagte. Um seinen Ruf zu schützen, veröffentlichte er fortan seine Opern, die er
weiterhin komponierte, unter Pseudonym, wohl weil es sich nicht schickte, dass
ein hochrangiger Kirchenmann mit etwas moralisch und gesellschaftlich so
Anrüchigem wie dem Verfassen von Opern beschäftigt sei. Unter seinem eigenen
Namen schrieb er gegen [104]  Ende seines Lebens nur die Kammerduette und das Stabat Mater.
    Wegen seiner Verdienste machte sich der Kurfürst von der Pfalz für
Steffani in Rom stark, worauf der Vatikan ihn zum Titularbischof von Spiga
ernannte. »Diese elenden Halunken«, murmelte Caterina, als sie las, dass es
sich dabei lediglich um einen Titel handelte, ein Amt, das so gut wie keine
Pfründen abwarf. Dann – warum, wurde nicht deutlich – verließ Steffani das
katholische Kurfürstentum und kehrte ins protestantische Hannover zurück, wo er
bis zu seinem Tode

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