Himmlische Leidenschaft
abgedichtet, die schon zu der Zeit, als Lazarus von den Toten erweckt worden war, ziemlich alt gewesen sein mußte.
Es gab keinen Rauchabzug für das Feuer, das in einem unregelmäßigen Kreis aus roten Steinen brannte. Der Rauch trieb einfach durch den Raum und vermischte sich mit dem Qualm, der in Kräuseln von Zigaretten und Stumpen aufstieg. Wenn der Wind stark genug wehte, lösten sich die Rauchschwaden ein wenig auf. Die Luft wurde auch kalt genug, um Fleisch zum Trocknen aufzuhängen.
Spanish Church gehörte nicht gerade zu der einladenden Sorte von Bars mit einer Theke aus Kirschbaumholz, Fußstützen aus blankpoliertem Messing, eleganten Spiegeln und Porzellanspucknäpfen.
Die Theke bestand aus Whiskeyfässern, über die rohe Bretter gelegt worden waren. Die Tische waren von der gleichen Machart bis auf den einen, den Pader Gunther damals noch eigenhändig aus den Bohlen eines alten Karrens zusammengezimmert hatte.
Whiskeyfässer, in zwei Teile zersägt und umgedreht, dienten als Sitzgelegenheiten. Andere Stühle bestanden aus recht und schlecht aneinandergenagelten Ästen von Pyramidenpappeln, mit einem Kuhfell als Sitzbespannung. An den Stellen, wo das Fell nicht vom Sitzen abgewetzt war, haftete noch immer Haar in Schattierungen von Rot, Gelblichbraun und Weiß an den steifen Häuten.
Auf den Kuhhäuten waren viele verschiedene Brandzeichen. Spanish Church war schon immer ein Handelsort für Banditen und Viehdiebe gewesen, solange die Siedlung entlang einer Quelle guten, frischen Wassers in einer dürren Wildnis bestanden hatte.
»Hat einer von euch zufällig den Kaplan gesehen?« fragte Case gelassen.
»Reg dich ab, Junge«, sagte Quincy, ohne von seinen abgegriffenen Karten aufzusehen. »Er hält gerade seinen Schönheitsschlaf.«
Case blickte zu dem Barkeeper und dem Hund hinüber. »Ist das da seine Ehefrau?«
Einer der Männer grinste. Er trug sein glattes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar nach Art der Indianer, in Schulterhöhe mit einem Messer abgeschnitten und mit einem Band um die Stirn aus den Augen gehalten. Das Stirnband bestand jedoch nicht aus einem Lumpen oder einem Streifen ungegerbten Leders, sondern war in einem kühnen Muster gewebt, das weder indianisch noch europäisch war.
Obwohl der Mann ein Halbblut war, gehörte er nicht zu Moodys Bande.
Das muß der alte Banditsein, den sie Ute nennen, dachte Case. Er ist offenbar hier, um Vorräte für Sarah zu besorgen.
Oder für sich selbst. Er wäre nicht der erste Mann, der eine Witwe und ein Kind bestiehlt.
Ute betrachtete den schlafenden Mann und den Hund, grinste erneut und warf dann einen Blick auf Case. Die Augen des alten Banditen verengten sich abrupt, als ob er Case von irgendwoher wiedererkannt hätte.
Wenn es so war, dann sagte Ute jedenfalls nichts und tat auch nichts, um die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken.
»He, Alter, was ist nun? Machst du jetzt deinen Einsatz, oder willst du einen Furz ablassen?« fauchte Reginald Ute an.
Der Klang seiner Stimme ließ erkennen, daß er dabei war, die Pokerpartie zu verlieren.
Ute schaufelte eine Handvoll Silbermünzen vom Tisch auf und ließ sie in seiner Tasche verschwinden. Dann schenkte er Reginald ein zahnlückiges Grinsen und sagte auf Spanisch, daß seine Mutter eine Hure sei und seine Schwester auf allen vieren kröche.
Der Mann zu Reginalds Linken lächelte dünn, aber kein Culpepper konnte genug Spanisch, um die Beleidigung zu verstehen.
»Hey, du kannst nicht einfach mein Geld einsacken, ohne mir eine Chance zu geben, es zurückzugewinnen!« schimpfte Reginald.
»Komm bei Neumond wieder her«, erwiderte Ute.
»Aber ...«
Was immer Reginald sagen wollte, wurde abrupt abgeschnitten, als Ute kurzerhand den Tisch umwarf und mit einer für einen Mann seines Alters überraschenden Schnelligkeit auf die Füße sprang.
Bis sich die anderen Spieler von der Überraschung erholt hatten, stand Ute breitbeinig und mit gezogener Waffe da und wartete gelassen auf das, was kommen würde. Eine doppelläufige Schrotflinte lag in seinen Händen. Beide Hämmer waren zurückgeklappt und schußbereit. Einer seiner dicken, mit Narben bedeckten Finger lag quer über den Abzugshähnen.
»Bei Neumond«, wiederholte Ute.
Case achtete sorgsam darauf, keine Bewegung zu machen. Er hielt auch beide Hände locker an den Seiten und in Sichtweite des Mannes, eine Höflichkeit, die nicht unbemerkt blieb.
Ute blickte ihn mit einem zahnlückigen Grinsen an und wich dann rückwärts aus
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