Himmlische Leidenschaft
ganze Weile schweigend durch den Riß zwischen den Holzbalken, bevor er antwortete.
Er konnte keinerlei Bewegung in der Landschaft ausmachen, noch nicht einmal den Schatten eines Vogels, der hoch am Himmel dahinflog.
Als er schließlich den Hahn seines Revolvers entspannte, schien das metallische Knacken fast so laut in der Stille des Hauses, wie es die Schüsse gewesen waren.
»Ich schätze, Sie haben das hier schon ein- oder zweimal zuvor getan«, sagte er.
»Ute ist der Ansicht, daß es besser ist, vorauszuplanen, als seinen Leichtsinn zu bereuen und zu sterben.«
Case grunzte. »Der Ausspruch könnte glatt von Hunter stammen.«
»Hunter?«
»Mein Bruder. Er war Oberst, damals, als der Süden noch eigene Uniformen hatte und jeder Dummkopf darauf brannte, sie zu tragen. Nicht, daß Hunter ein Dummkopf gewesen wäre. Der einzige Idiot in der Familie war ich.«
»Ich bezweifle doch stark, daß Sie ein Idiot sind.«
»Ich nicht.«
Die Leere in seiner Stimme bewirkte, daß sich Sarahs Kehle schmerzlich zusammenschnürte. Ohne sich dessen bewußt zu sein, streichelte sie wieder seinen Rücken mit sanften, tröstenden Bewegungen.
»Lassen Sie sich von mir ins Bett zurückhelfen«, sagte sie nach einem Moment.
»Ich kann auf die gleiche Weise wieder zurückgelangen, wie ich hergekommen bin.«
»Aber das geht doch nicht. Sie sind verletzt.«
Case fühlte ihre Hand liebkosend über seinen nackten Rücken gleiten und kämpfte gegen den Drang an, wild um sich zu schlagen.
Oder Sarah zu packen und sie hungrig zu küssen.
»Case?«
»Wenn Sie nicht sofort aufhören, mich wie eine getigerte Katze zu tätscheln«, sagte er mit sorgfältig beherrschter Stimme, »dann packe ich Sie und zeige Ihnen, wie kerngesund ich mich in genau diesem Augenblick fühle.«
»Getigerte Katze?« Sie lachte. »Sie sind eher ein Puma als eine Hauskatze.«
Er machte Anstalten, sich auf seine unverletzte Seite zu rollen und ihr zu enthüllen, was ihm so zu schaffen machte. Aber schon der Versuch, sich herumzudrehen, erzeugte bereits einen stechenden, fast unerträglichen Schmerz in seinem verletzten Schenkel und zwang ihn, keuchend innezuhalten.
Nun, das sollte mich eigentlich kurieren, dachte er.
Aber es half nicht. Jedenfalls nicht viel.
Ich brauche wohl noch eine zweite kräftige Dosis, sagte er sich.
Mit grimmiger Entschlossenheit rollte er sich auf sein unverletztes Bein. Er ignorierte Sarahs Proteste, während er sich halb kriechend, halb auf dem Bauch rutschend in Richtung Bett bewegte.
»Na bitte«, sagte er, als er sich auf der Pritsche ausstreckte. »Zufrieden?«
Sie betrachtete sein aschfahles Gesicht, die Schweißtropfen, die auf seiner Stirn standen, seine hellen, grau-grünen Augen, die zu Schlitzen gegen den Schmerz verengt waren.
»Sie könnten den Maultieren der Culpeppers noch Unterricht in Sturheit erteilen«, sagte Sarah ärgerlich.
»Ohne Zweifel.«
»Haben Sie Freude daran, mir zusätzliche Arbeit zu machen?«
Er blinzelte verwirrt. »Wie bitte?«
»Sehen Sie sich doch bloß an! Schmutzig vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Ich werde Sie gleich zusammen mit Ihren Verbänden und Ihrem Lendenschurz waschen müssen.«
Case wollte widersprechen, doch plötzlich tat sich Erschöpfung wie ein wilder Strudel unter ihm auf und zog ihn in die Tiefe. Das Ausmaß seiner Schwäche schockierte ihn.
»Bin zu ... müde«, brachte er mühsam hervor.
»Ich nicht. Sie werden wieder frisch und sauber sein, bevor Sie wissen, wie Ihnen geschieht.«
Er versuchte, Einwände zu erheben, doch seine Kraft war restlos aufgezehrt. Seine Worte kamen nur noch als ein zusammenhangloses Gemurmel über seine Lippen.
Sarah stand einen Moment lang neben der Pritsche und beobachtete, wie seine Lider flatterten und sich schließlich schlossen. Als sie geschlossen blieben, seufzte sie vor Erleichterung. Selbst wenn er so wie jetzt offensichtlich völlig erschöpft vor Schmerz war, bezweifelte sie, daß sie ihn dazu bringen könnte, irgend etwas zu tun, was er nicht wollte.
»Störrischer, störrischer Mann«, murmelte sie.
Seine Augen blieben geschlossen.
Sie konnte nicht umhin zu bemerken, daß seine schwarzen Wimpern lange, dichte, seidige Fransen waren, die sich an den Enden leicht aufwärtsbogen. Sie ließen ihn seltsam verwundbar aussehen.
»Augenwimpern, auf die jedes Mädchen neidisch wäre«, sagte sie mit gedämpfter Stimme, »und Gott gibt sie einem Mann, der hart genug ist, um Stahl und messerscharfe Rasierklingen zu
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