Himmlische Leidenschaft
los? fragte sie sich ärgerlich. Ich habe mir einen älteren Bruder gewünscht, und ich habe ihn bekommen. Mitsamt den Neckereien und allem Drum und Dran.
Hallelujah.
Trotzdem war ihr irgendwie nicht nach Jubeln zumute.
»Ich meinte eigentlich deine Kleider«, sagte sie kühl, »und nicht die Einschußlöcher.«
»Hast du etwa vor, sie mir wieder zu klauen?« fragte Case mit ausdrucksloser Miene. »Wenn ja, dann muß ich dich warnen, daß ich ziemlich unangenehm werden kann.«
»Wo ist deine Krücke?« wollte sie wissen.
»Im Feuer.«
»Himmelherrgott noch mal«, sagte sie und warf frustriert die Hände hoch. »Na schön, wie du willst. Dann geh mit Ute und Conner in die Schwitzhütte. Lauf so rot an wie ein Hummer und fall platt auf dein pelziges Gesicht!«
Nachdenklich strich sich Case mit einer großen Hand über seine Wangen, während er sich zu erinnern versuchte, wann er sich das letzte Mal rasiert hatte.
Muß anläßlich Hunters und Elyssas Hochzeit gewesen sein, entschied er.
»Ich habe meinen Rasierspiegel zerbrochen«, erklärte er und ließ seinen Blick von Ute zu Conner schweifen.
Aus dieser Richtung war offensichtlich keine Hilfe zu erwarten.
Keiner der beiden hatte genug Kinnfell, als daß es eine Rasierklinge wert gewesen wäre. Es gab auch keine Fensterscheiben in dem Blockhaus, die als provisorischer Spiegel hätten dienen können.
Er sah Sarah an.
»Tut mir leid, ich habe keinen Spiegel«, erwiderte sie. »Lola hat auch keinen.«
»Wie schaffst du es dann, dein Haar so ordentlich zu flechten?«
»Reine Übungssache.«
Er sparte sich die Frage, wie Lola zurechtkäme. Soweit er es beurteilen konnte, flocht Lola ihr Haar, wenn sie es gewaschen hatte, was nicht allzu häufig vorkam.
»Wie hat sich dein Ehemann ohne Spiegel rasiert?« wollte Case wissen.
»Sarah hat ihn früher immer rasiert«, warf Conner ein.
Sarah betrachtete Cases dichten Bartwuchs mit abschätzendem Ausdruck. »Wenn ich dich zu rasieren versuchte, würde das Messer stumpf werden«, meinte sie.
»Kein Problem. Ich schärfe die Klinge wieder«, erwiderte Case.
Sie zuckte die Achseln. »Es ist ja deine Haut.«
»Oh, darüber mache ich mir keine Sorgen. Du wirst schon wieder zusammenflicken, was immer du zerschneidest, und mich obendrein noch wie eine Glucke bemuttern.«
Etwas an seinem Tonfall deutete darauf hin, daß er es als ausgesprochen angenehm empfand, von ihr bemuttert zu werden.
Hastig wandte Sarah den Blick ab, weil sie befürchtete, daß wieder diese verräterische Röte in ihre Wangen kroch.
Zuerst sagt er, daß er es haßt, mich zu begehren, dachte sie. Und dann benimmt er sich, als könnte er es gar nicht erwarten, meine Hände wieder überall auf seinem Körper zu spüren.
Oder war die Bemerkung nur scherzhaft gemeint? Spielt er nur wieder mal den neckenden älteren Bruder?
Was für nervtötende, unberechenbare Geschöpfe Männer doch sind. Es ist wirklich ein Wunder, daß Mütter sie bei der Geburt nicht einfach allesamt ertränken.
»Laß mich bitte vorbei«, sagte Sarah mit gepreßter Stimme. »Ich habe einen Habicht, den ich schon längst hätte freilassen sollen.«
Als sie durch die Tür eilte, trat Case beiseite, aber langsamer, als sie erwartet hatte. Sie prallte prompt gegen ihn.
»Entschuldige«, sagte sie, während sie ihm auszuweichen versuchte.
Ihre Schultern stießen gegen den Türrahmen. Sie hatte kaum genügend Platz, um zu atmen.
»Himmel, du nimmst wirklich reichlich viel Platz ein«, murmelte sie.
In seinen Augenwinkeln erschienen winzige Fältchen.
Einen Moment später erschreckte Case Sarah, indem er sie lässig hochhob und im Inneren des Hauses wieder auf die Füße stellte. Instinktiv stemmte sie die Hände gegen seine Schultern, als er nach ihr griff. Das kraftvolle Spiel seiner Muskeln unter ihren Handflächen erzeugte ein seltsames Flattern in ihrer Magengrube und ließ ihre Nervenenden vibrieren.
Es war keine Furcht. Dessen war Sarah sich sicher.
Sie wußte, wie es sich anfühlte, Angst vor einem Mann zu haben.
»Und von dir ist gerade genug da«, murmelte er so leise, daß die beiden Männer es nicht hören konnten.
Dann gab er sie mit einer langsamen Bewegung seiner Hände frei, die fast einer Liebkosung gleichkam, bevor er sich wieder zu Conner und Ute umwandte.
»Sarah hat recht«, sagte er. »Mir ist im Moment noch nicht danach, in einer Schwitzhütte zu hocken und anschließend in einem eiskalten Bach unterzutauchen.«
Conner öffnete den Mund, um
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